Hallo zusammen ,
da dieses Thema in letzter Zeit öfters bei Kon-Kollegen und Bekannten aufgetaucht ist und auch für zwei befreundete Blender-Beginner wichtig wird, möchte ich an dieser Stelle mal einen kurzen Überblick über Ambient Occlusion im Modellbau geben.
Interessant sein dürfte dieser Exkurs vor allem für Kon-Kollegen und Hobby-Kons, aber auch die Anlagenbauer dürfen gerne mal genauer ein Auge auf eingesetzte Modelle werfen und den Effekt suchen. Ihr werdet sicherlich fündig!
Was genau ist eigentlich Ambient Occlusion?
Wikipedia sagt:
"Umgebungsverdeckung (englisch Ambient Occlusion, AO) ist eine Shading-Methode, die in der 3D-Computergrafik verwendet wird, um mit relativ kurzer Renderzeit eine realistische Verschattung von Szenen zu erreichen. Das Ergebnis ist zwar nicht physikalisch korrekt, reicht jedoch in seinem Realismus oft aus, um auf rechenintensive globale Beleuchtung verzichten zu können."
Bedeutet: Überall dort, wo im Modell zwei Flächen eine Kante mit Winkel < 180 Grad bilden, wird ein leichter Schatten eingerechnet. Somit hat man in EEP zu den normalen Schlagschatten einen 3D-Effekt, wenn letzterer Schatten nicht verfügbar ist - z.B. Nachts, bei Wolken, Regen, in Bahnhofshallen etc.
Was sind die Voraussetzungen?
Das wichtigste dabei ist: Die Ambient Occlusion wird direkt auf die Textur gerechnet. Bedeutet, sie ist fester Bestandteil des Modells. Daher muss man zwingend darauf achten, sämtliche Texturteile separat auf der Textur abzulegen, da jedes Modellteil seinen individuellen Schatten hat. Je nach Nutzungsgrad im Modell kann das nur die Karosserie betreffen, oder aber auch das Fahrwerk, Hausfassaden, Blumenkästen. Was auch immer so einen Schatten haben soll, kann ihn bekommen. Bei allem, was anders texturiert werden soll, kann auf die Separierung der Texturflächen verzichtet werden. Das ist bei mir beispielsweise bei allen Gummi-Teilen der Fall, da diese eh schon so dunkel sind, dass der Schatten nur einen minimalen Effekt bewirken würde.
Fluch oder Segen?
Was bei neu konstruierten Modellen kein Problem ist, wird bei Aufarbeitungen alter Modelle zunehmend zum Problem. Wollte ich meinen LINT mit Ambient Occlusion versehen, müsste ich das Modell in allen fünf LOD-Stufen neu texturieren. Ein Aufwand, der sich bei Bestandserweiterungen einfach nicht lohnt und von dem man definitiv absehen kann.
Bei Neubauten allerdings spart man sich - zumindest kann ich da für Blender-Nutzer sprechen - teils sogar eine Menge Zeit. Das flächen-separate Abwickeln des Modells auf die Textur kann Blender automatisch, man muss nur noch die abgewickelten Teile effizient auf der Textur anordnen.
Ich habe zu meinen Kon-Anfängen noch gelernt, dass man Flächen, die dem direkten Sonnenlicht ausgesetzt sind, heller texturiert als jene, die eher im Schatten verschwinden. Das war quasi die händische Ambient Occlusion und hat beim LINT und Talent auch völlig gereicht. Ich brauchte fürs Fahrwerk nur eine helle und eine dunkle Fläche, Schmutz drüber, alles passend auf die Textur gelegt und fertig.
Verglichen damit hat man mit Ambient Occlusion natürlich mehr Flächenverbrauch und muss und sollte auch das Textur-Maximum von 4096x4096 Pixeln ausnutzen, allerdings ist der Aufwand nicht höher als beim händischen Flächen-Sortieren.
Die Arbeitsabläufe sind annähernd gleich zeitaufwändig:
Ohne AO: Verschieden helle Texturenfächen anlegen -> zeitintensiv jede einzelne Fläche aus dem Modell entsprechend ihrer Position auf der Textur anordnen
Mit AO: Eine gleichmäßige Texturfläche erstellen -> Blender die Flächen Platzsparend und getrennt abwickeln lassen -> Auf Knopfdruck Ambient Occlusion backen -> Abspeichern -> Im Grafikprogramm als neuen Layer muliplizieren
Das Ergebnis:
Natürlich ist eine solche Schattierung des Modells ein Stück weit Geschmackssache, aber ich möchte dazu anmerken, dass sehr viele Spiele und Simulatoren die Methode der Ambient Occlusion in irgendeiner Weise anwenden und es bereits Standard im 3D-Modellbau geworden ist. Mit Hilfe der Raytracing-Technologie der neueren Nvidia-Grafikkarten ist Ambient Occlusion fast schon wieder überholt.
Ein sehr impressives Beispiel hat mir einer der oben erwähnten Blender-Beginner zukommen lassen und er war total beeindruckt vom diesem Effekt:
Gerade im Bereich der Schattenseite erkennt man durch die Ambient Occlusion die Ausprägungen und Details an den Fenstern ungemein mehr. Das komplette Modell wirkt plastischer und hochwertiger.
Daraufhin habe ich den Effekt an einer Br 151 ebenfalls mal dargestellt. Zunächst mit Schatten und auf Sonnenseite. Hier hält sich der Unterschied zumeist in Grenzen:
Fairerweise muss ich anmerken, dass ich hierbei natürlich die beschriebene Texturiermethode "Sonne -> hell; Schatten -> dunkel" nicht genutzt, sondern dem Modell lediglich die Ambient Occluion geraubt habe. Das verstärkt den Effekt nochmal.
Auffälliger wirds allerdings, wenn man das Modell etwa bei Nacht, bei Wolken oder eben aus Performancegründen ohne eingeschalteten Schatten betrachtet. Vor allem das Fahrwerk, aber auch auch Sicken, Wölbungen und andere Kanten werden deutlich plastischer und besser erkennbar:
Jetzt könnte man sagen: "Es gibt ja noch den SSAO-Modus von EEP selber, der macht doch auch so einen Effekt". Ja - tut er auch - allerdings ist die Wirkung deutlich zu unterscheiden zu präziser Berechnung direkt am Modell (und für meinen Geschmack auch deutlich schlechter)
Ich persönlich liebe Ambient Occlusion. Sie verleiht einem Modell einfach so viel mehr Wirkung, Tiefe und Detail, dass ich sie nutzen werde, wann immer es geht.
In der Praxis ist es natürlich immer Auslegungssache, bis zu welcher Modellgröße bzw. in welcher Kategorie Ambient Occlusion noch Sinn macht. So kann m.E. nach zum Beispiel bei Ausstattungsgegenständen, Figuren und vielen kleinen Bauteilen auf den Effekt verzichtet werden, bei Fahrzeugen, Gebäuden und sonstigen großen Bauten sehe ich allerdings einen sehr großen optischen und auch qualitativen Vorteil ohne erblichen Mehraufwand.
Deswegen hoffe ich, ich konnte einigen Lesern den Sinn von Ambient Occlusion etwas näher bringen oder sogar das Interesse daran wecken.
Weiterhin würde ich mich sehr freuen, wenn sich in Zukunft noch mehr Konstrukteurs-Kollegen und Hobby-Kons dem Thema annehmen würden - ich habe im Laufe des letzten Jahres festgestellt, dass sich die Zahl der damit arbeitenden Kons schon beinahe verdoppelt hat.
Wie schon eingangs erwähnt, darf jeder gerne mal die Augen aufhalten und nach dem Effekt in EEP suchen, man findet ihn schon an sehr vielen Modellen.
Wenn gewünscht, bin ich auch gerne dazu bereit, Tipps und Tricks zu dieser Methode zu erläutern und weiter ins Detail zu gehen.
Viele Grüße und viel Spaß beim Ausprobieren
Tobi