Berufliche Perspektiven bei der Reichsbahn

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  • Kurz in eigenen Sache.

    Die Ferien und der Urlaub sind vorbei und die Aufgabenvielfalt und Anforderungen in Ausbildung und Beruf ist wieder angewachsen. Daher wird es hier mit den Geschichten ab jetzt etwas langsamer voran gehen. Am besten, wer es noch nicht getan, den Faden abonnieren, dann gehen keine neuen Teile verloren. Und jetzt viel Spaß bei:


    Grillabend bei den Stenzers – Teil 1


    Arne nimmt seine Kathrin in den Arm. So laufen sie den kurzen Weg bis rüber zum letzten der Wohnblöcke in der Ackerstraße. Im Haus ganz hinten wohnen fast nur Eisenbahner und fast alle arbeiten irgendwo auf dem Bahnhof Hohnstadt. Arnes Vater ist Lademeister in der Güterabfertigung, seine Mutter Köchin hinten in der Kantine an der Hauptpost. Arnes Vater ist etwas skeptisch, was die Beziehung zu Kathrin angeht. Ihre Eltern sind Führungskader in der Devisen-Chemiebude, so wie er die immer nennt, und den Bonzen in solchen Positionen ist nicht zu trauen. Arnes Mutter versucht ihn immer zu beruhigen und ist der Meinung, dass der Junge seinen eigenen Weg finden müsse. Arne hofft nur, dass heute alles gut geht und sie ohne Streitereien den Abend verbringen können.

    Am letzten Aufgang angekommen sehen sich beide an. „Das schaffen wir.“, sagen sie fast gleichzeitig und lachen. Kathrin schaut Arne an. „Weißt du das wir heute genau sechs Monate zusammen sind?“, fragt sie grinsend. Arne nickt mit dem Kopf – auch wenn er das gar nicht so genau mitzählt. „Lass uns hochgehen.“, sagt er und öffnet die hölzerne Eingangstür. Knarrend geht sie auf und fällt polternd wieder zu, der Dämpfer ist schon seit einem halben Jahr kaputt.


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    Beide stehen im Treppenflur. Es riecht nach Bohnerwachs, heute war Reinigungstag. Jeden Samstag wechseln sich die Bewohner der einzelnen Stockwerke mit dem Saubermachen ab, der Plan dafür hängt auf jeder Etage. Links befinden sich in die Wand eingelassenen hölzernen Briefkästen, die meisten haben kein Schloss, nur einen einfachen Riegel, der die Tür zuhält. Man vertraut sich hier eben. Nur wenig Licht fällt durch die gemaserte Milchglasscheibe der Eingangstür ein und Arne drückt auf einen der kleinen Taster für das Treppenlicht. Ein lautes Klack ertönt aus einem großen Holzkasten neben der Tür und die schwache Glühlampenbeleuchtung des Treppenhauses spendet ein warmes, aber schummriges Licht. Die Stufen sind teilweise ausgelatscht und das hölzerne braun gestrichene Treppengeländer ist zerkratzt. Auf jeder Etage links und rechts zwei Wohnungstüren. Schuhe stehen vor der Tür, vor einigen Wohnungen sind auch Regale für die selbigen zu finden. Sie müssen hoch in die dritte Etage. In der zweiten Etage geht die linke Tür auf und eine ältere Dame lugt heraus. „Tag Frau Koviak.“, sagt Arne freundlich. Die Frau nickt ihm zu, beäugt Kathrin und macht die Tür wieder zu. „Die Koviak ist ein bisschen meschugge, aber sonst ganz freundlich.“ Kathrin nickt nur. Solche Wohnsituationen kennt sie nicht, sie ist schließlich im Haus ihrer Eltern groß geworden. Gleich sind sie oben. Arne holt seinen Alubartschlüssel raus und schließt die Wohnungstür auf. „Meine Eltern sind schon im Garten. Ich soll bloß noch das Fleisch und das Bier holen, dann können wir gleich wieder los. Der Kühlschrank im Garten ist kaputt und mein Vater kann warmes Bier nicht leiden.“


    Beim Blick in den Korb, der auf dem Küchentisch steht, findet Arne einen Zettel – Es gab keine Koteletts, bring bitte welche mit. Arne fragt: „Woher denn jetzt noch?“ Die Kaufhalle hat um zwei zugemacht, die HO auch, bleibt nur der Fleischer, aber ob der noch aufhat? Das geht ja gut los. Arne ist etwas angesäuert.


    Jetzt sind Kathrins Beziehungen gefragt. Sie stellt sich vor Arne, fasst ihn mit beiden Armen um den Hals und schaut ihm in die Augen. „Das wird schon. Vertraust du mir?“ Natürlich tut Arne das. „Dann los, lass uns zur Fleischerei Metting fahren. Ich kenn die Tochter der Chefs.“ Korb genschnappt, Treppe runter, Tür knallen lassen – ja, der Dämpfer... (Labusch aus dem Erdgeschoss wird sich wieder bei der Mieterversammlung aufregen), rüber zur Garage, auf den Bock geschwungen und mit Vollgas die Ackerstraße runter in Richtung Fleischerei.


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    Der Laden ist natürlich auch zu. Kathrin lugt durch die Schaufensterscheibe, alles dunkel, aber hinten in der Metzgerstube scheint noch Licht zu brennen. Kathrin zeigt zur Toreinfahrt. „Arne, schau mal ob offen ist. Hinten scheint noch jemand zu sein.“ Arne drückt das schwere Holztor auf, Kathrin stürmt an ihm vorbei auf den Hof – die wird schon wissen, was sie tut, denkt er sich und schlendert hinterher. Als er näher kommt, kann er Stimmen hören. Kathrin spricht mit ihrer ehemaligen Mitschülerin Viviane aus der POS „Weltfrieden“, mit der sie bis zur Zehnten in eine Klasse gegangen ist. Sie ist die Tochter des Fleischermeisters und jetzt hier Lehrling. Weiter ist sonst keiner da. Die hatte heute das Pech Letzte sein zu müssen. Gerade ist sie fertig mit wischen und bringt das dreckige Wasser raus.


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    Eigentlich wollte sie schon längst im Roten August sein. Da gibt es immer schöne Musik und etwas zu erleben, auch am Samstagnachmittag, immer hinten im Vereinszimmer. Im Besen sind ja jetzt die Schiebchen. Da gehen lieber die Männer ohne Anhang hin, sich ein Hühnchen von der Stange holen. Die jungen Damen sitzen zu Beginn des Nachmittags immer auf dem Treppengeländer vor dem Eingang und gackern wie die Hühner.

    Nach einer ausführlichen Begrüßung, was machst du, wie geht es, was mache ich, was machen die anderen, kommt Kathrin zum Eigentlichen. „Du, Viviane ich brauch noch etwas für heut Abend für den Grill.“ Kathrin hat bei Vivianne noch was gut, ihr hat sie immer das gute Rosenduftwasser besorgt, was sonst nur im Exquisit oder in Weihnachtspaketen von drüben zu finden ist. „Komm, gucken wir mal.“ Sie gehen rein und schauen sich in dem kleinen Kühlraum um. Rumpsteak, Kotelett ausgelöst, Thüringer, Frischgestopfte – alles, was einen Grillabend schöner macht. Kathrin nimmt von jedem vier Stück und reicht einen Fünfziger rüber. So geht der erste Teil der Prämie von gestern Abend dahin.

    „Danke.“, sagt Kathrin und Viviane: „Wo gehst Du heute Abend hin?“ „Ich, zum Antrittsbesuch zu den Schwiegereltern.“ „Oh, na dann viiiiel Glück.“, sagt sie grinsend. „Und du?“, fragt Kathrin. „Ich will heute noch in den August, mein Dieter wartet da auf mich.“ Kathrin schaut erstaunt. „Der Dieter? Dieter Schimmerlos?“ Ja, der. „Na dann wünsch ich Dir auch viel Glück.“, sagt Kathrin und versucht ernst zu bleiben. Die beiden verabschieden sich und Kathrin geht wieder nach draußen.


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    Arne ist erstaunt, dass Kathrin mit einem so schweren Einkaufsbeutel heraus kommt. Hinter ihr hört man die Verriegelung ins Schloss fallen. Jetzt nochmal zu Stenzers in die Wohnung, einen Teil des Erworbenen in den Kühlschrank packen (so viel kann nicht mal Arne verputzen). Kathrin ist inzwischen neugierig geworden und will Arnes Zimmer sehen. Wo ist das? Vorn die Tür links. Also rein.

    Überhaupt nicht romantisch. Bett, Schreibtisch, Kleiderschrank – an der Wand ein paar Poster aus der BRAVO. Er ist ja kaum noch hier. Trotzdem sieht es gepflegt aus. Irgendwie hat Kathrin den Eindruck, dass sie hier erwartet wird. Alles geordnet, sauber, Staub gewischt. Und in der Ecke hinter der Tür ein Hocker mit einem Badetuch, einem neuen Schlafanzug für junge Mädchen und davor ein Blumenstrauß auf dem Boden. Mutter Stenzer war fleißig.

    Arne tippt Kathrin an. „Komm, wir müssen los, meine Eltern warten schon.“ Am liebsten würde Kathrin mit Arne hier bleiben, einfach mal die Ruhe genießen. Na vielleicht später, denkt sie und beide machen sich auf den Weg in die Kleingartenanlage.

  • Grillabend bei den Stenzers – Teil 2


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    Mutter und Vater Stenzer waren schon den ganzen Nachmittag in ihrer Parzelle. Die Gartenarbeit ist getan und Arnes Vater genießt das letzte kalte Bier, der Rest ist handwarm und liegt zum kühlen in der kleinen Zinkwanne bei der Schwengelpumpe. Dieser blöde Kühlschrank. Mutter Stenzer steht am Gartentor und hält Ausschau nach den beiden Verliebten. Der abendliche Personenzug rumpelt oben über den Damm in Richtung Bahnhof. Ihr kleiner Garten liegt direkt an den Gleisen der Güterstrecke. Die Züge hören sie aber kaum noch, man hat sich dran gewöhnt und als Eisenbahner sind diese Geräusche sowieso eher nur Beiwerk. „Kommen sie schon?“, will Vater Stenzer wissen. „Komm doch kucken.“, sagt seine Frau und von Ferne kann sie sehen, wie Arne Hand in Hand mit Kathrin den Eulenweg in Richtung Garten schlendert. Jeder trägt einen Einkaufsbeutel und einen ansehnlichen Blumenstrauß haben sie auch dabei. Arnes Beutel ist anscheinend schwerer, der der Freundin leichter. Was für ein schönes Paar. Eine solche Tochter hätte sich Arnes Mutti auch gewünscht. Schade, dass das nichts geworden ist.


    007-Arne-Kathrin-Garten


    Vati Stenzer soll wenigstens zur Begrüßung mit zur Gartentür kommen. Das Mädchen sieht doch anständig aus und ein halbes Jahr sind sie nun auch schon zusammen. Viel länger als sonst die ganzen Mädels, die ihr Sohn bisher so hatte (und das waren nicht wenige). Ist da etwas im Verborgenem? Als sich jedoch die Besucherin zur Gartentür hin dreht, ist ihr Bauch ganz flach zu erkennen. Das ist es also nicht. „Los komm jetzt, Guten Tag sagen!“ Ein leichter Knuff beschleunigt Vatis Bewegung. Nanu, seine Frau ist doch sonst nicht so.


    Mutti ist vom Anblick der Freundin ihres Sohnes begeistert und geht gleich freundlich auf sie zu. „Kommt rein, Guten Tag ich bin die Mutter von Arne.“ „Ich bin die Kathrin, ich habe hier eine Kleinigkeit mitgebracht.“ sagt sie und übergibt die Blumen, „und hier noch etwas für den Grill heute Abend.“ Arnes Mutter nimmt den Beutel, den Kathrin ihr reicht, ab. Ist der schwer. „Was ist da drin?“ Kathrin ist etwas verlegen und sagt nur: „Ach nur ein bisschen zum Grillen.“, lächelt Kathrin etwas unsicher. War das etwa doch zu übertrieben mit dem ganzen guten Zeug vom Fleischer? Mutter Stenzer freut sich und reicht den Beutel an ihren Mann weiter. Mutter und Sohn begrüßen sich ebenfalls. Jetzt tritt Arnes Vater nach vorn und schaut Kathrin mit unberührter Miene an: „Und ich bin Arnes Vater, gehen wir doch erst einmal rein.“ Arne begrüßt ihn ebenfalls. „Biste auch mal wieder bei uns.“, sagt er eher scherzhaft und schleppt seinen Sohn gleich mit zum Grill, das mitgebrachte muss schließlich ordnungsgemäß zubereitet werden. Das Bier ist noch zu warm. Vati Stenzer legt es zu den anderen ins Wasser und murrt vor sich hin. „Viel zu warm und der Kühlschrank kühlt nicht mehr richtig. Arne, kannst Du nicht was machen?“


    Arne fragt: „Brennt das Licht drinnen?“ „Nein.“ „War das schon immer so?“ fragt Kathrin in die Runde. „Nein erst seit letzter Woche, als wir den von der Wand abrücken mussten.“ Kathrin kommt mit an den Grill ran – Mutter Stenzer bereitet inzwischen den Tisch vor. „Lasst uns doch mal kucken, was da los ist“ schlägt sie an Arne, aber auch an seinen Vater gerichtet, vor. Vater Stenzer hebt ungläubig die Augenbrauen und zieht die Stirn leicht in Falten.


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    „Darf ich mir das mal angucken?“ fragt Kathrin noch einmal und wartet nicht länger auf eine Einladung, geht in den Bungalow und steckt den Stecker in die Steckdose. Das ist meine Kathrin, denkt Arne und grinst. Kaum ist der Stecker drin, knistert es aus dem auch schon merkwürdig und das Licht im Kühlschrank flackert im selben Takt mit. Kathrin verstehet und zieht den Stecker schnell wieder aus der Schukosteckdose.

    „Ich würde den mal aufschrauben und reinschauen wollen.“, meint sie. „Gibt es hier einen passenden Schraubenzieher?“ Bei Vati Stenzer ist die Neugier geweckt – na mal sehen, was die kann: „Na dann komm mal mit.“, sagt er und geht voraus zum Schuppen. Auf einer verstaubten Werkbank liegen mehrere Schraubendreher. Kathrin greift sich zielsicher einen 4 mm, eilt zurück und schraubt den Stecker auf. Der braune Draht ist fest, der grün gelbe auch, aber der blaue schlackert zwischen Schraube und Klemmstein rum. „Arne, was meinst du“ fragt sie ihren Liebsten und hält ihm Schraubendreher und Stecker hin. Der schiebt den losen Unruhestifter wieder in die Klemmöffnung und zieht die Schraube ordnungsgemäß fest. Dann schraubt er den Stecker zu und steckt ihn wieder in die Steckdose. Klack, der Kompressor des Kühlschrankes läuft wieder an, das Licht brennt auch dauerhaft und geht beim Schließen der Tür, als Vati Stenzer die zudrückt, wieder aus. Der ist baff. So eine ist ihm noch nie untergekommen, außer vielleicht die Professionellen von den Fernmeldern natürlich.


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    Jetzt ist die Neugier bei Arnes Vater vollends geweckt und er will wissen, woher sie sowas kann. Lernt sie vielleicht Elektriker? „Nein.“, sagt sie lächelnd „B u V Facharbeiter, nächste Woche hab ich Prüfung als Zugmelder. So etwas haben wir von unserem Vater gezeigt bekommen.“ Kathrins Augen strahlen. Ja ein bisschen vom PA, ESP und Physikunterricht hat auch seinen Beitrag dazu geleistet. „Wir sind drei Frauen bei uns im Haus. Vati hat keinen Sohn und da müssen eben die Töchter zugucken oder auch mitschrauben. Ganz vernünftig, meine ich.“ Vater Stenzer nickt und will wissen, warum sie ausgerechnet B u V gelernt hat.

    Alle stehen am Grill, den Vater und Sohn schon angeworfen haben und der jetzt die richtige Temperatur hat. Die ersten Fleischstücke werden aufgelegt und das Fett tropft zischend durch den Rost. Der Duft des Gegrillten zieht durch die Gärten – und das nicht nur bei den Stenzers. (Und wer von den geneigten Lesern hat jetzt nicht Lust den selbigen auch anzuwerfen?) Mutter Stenzer gesellt sich in die Runde und Kathrin erzählt ihre Geschichte.

  • Grillabend bei den Stenzers – Teil 3


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    „Eigentlich wollte ich Kunst studieren, in Richtung Fotografie.“, beginnt sie. „Dann kam der Tag, an dem mein Vater mir eine Anmeldung für die Kunsthochschule oben am Goehteplatz zum Geburtstag geschenkt hatte. Der Hintenrum, den kennen Sie ja auch, war Stabi-Lehrer bei uns an der POS und Parteisekretär wohl auch. Natürlich wusste der über mein Studienwunsch Bescheid. Ich musste immer wieder zu ihm ins Büro und mir ständig sein Gesabbel anhören. Es war unerträglich.“

    Arne verzieht das Gesicht. „Irgendwann fing der an, dass meine Stabü-Note zu schlecht ist. Da es für mich doch sehr wichtig wäre, zu wissen, wie wichtig die Entwicklung und Verbreitung einer parteilichen und volksverbunden Kunst ist. Er wollte mich immer wieder nötigen eine Verpflichtungserklärung zu unterschreiben, dass es ohne die nicht geht und ich sonst mein Studium vergessen kann. Ich war einmal so wütend, dass ich einfach aufgestanden und rausgegangen bin. Jede Woche immer wieder dasselbe. Irgendwann war es mir zu viel und ich hab den angeschrien, dass er sich den Antrag sonst wo reinstecken soll und mir das Studium jetzt egal ist. Eine Woche später habe ich Post bekommen, in dem mir mitgeteilt wurde, dass ich den Studienplatz doch nicht bekommen kann. Die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Abschluss seien nicht mehr gegeben.“


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    Vater Stenzer ist schon wieder baff. Eine so couragierte junge Frau hatte er nicht erwartet. Nach dem Kathrin ihre Geschichte mit dem Studium, was ihr verwehrt wurde, erzählt hat, hat Arnes Vater einen anderen Blick auf sie. Sie sind nun quasi Verbündete.


    „Was macht eigentlich dein Vater genau?“, will er weiter wissen und ohne es wirklich zu merken ist man zum Du übergegangen. Kathrin gefällt das. Eine weitere wichtige Hürde wurde heute hier und jetzt genommen. „Der entwickelt Kosmetik-Produkte wie Hautcreme, Duftöle, Rasiercremes oder Enthaarungscremes. Die hatte er erst letztens zur Fertigungsreife gebracht. Ab und zu dürfen wir Frauen zu Hause auch mal probieren.“ Kathrin hebt beide Arme und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Ihre Mutter hatte gleich heute früh aufgetragen, dann gleich Kathrin. Was sie nicht weiß, die dritte im Hause hatte vor ihrer Mutti aus der großen goldfarbenen Dose schon eine dreifach Probe entnommen (wohl nicht nur für die Achselhöhlen). Ja, das hat der Vati so gut hingekriegt, dass nix brennt, juckt oder sich entzündet.


    Mutti Stenzer fragt nun nach der Tätigkeit von Kathrins Mutter. „Die ist die Produktionsleiterin oben bei Collid-Chemie. Gelernte Chemiefacharbeiterin. Sie hat die Ausbildung mit Abitur gemacht. Dann musste sie mal kurz aufhören, weil ich mich dazwischen gedrängelt hatte. Kurz vor dem nächsten möglichen Ende der Ausbildung kam dann nach 14 Monaten noch meine Schwester Stefanie. Eigentlich ein Abbild von mir. Wir werden von Fremden oft für Zwillinge gehalten. Die geht noch in die 10. Klasse und soll auf die EOS weiterrücken. Arne kennt sie ja schon.“ Kathrin schaut grinsend zu Arne, der nur die Augen verdreht. „Nachdem meine Schwester ein Jahr alt war, hat meine Mutter ein Frauensonderstudium zum Diplomingenieur Chemische Technik angefangen und erfolgreich beendet.“


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    In Arnes Kopf drehen sich die Gedanken des Tages. Eigentlich müsste er jetzt am Grill mal die Würste umdrehen. Das geht im Moment aber nicht. Die Lockenwickler sind in seinen Gedankengängen ausgeblendet worden. So nimmt seine Kathrin die großen Holzzange zur Hand und wendet mit einem breiten Grinsen die acht Stücke auf dem Grill. So bleibt Arne das Aufstehen erspart.


    Nachdem alles vom Grill verputzt und das Bier alle ist, überlegt man sich, wie der Abend nun weitergehen soll:

    Zurück in die Wohnung – Arnes Mutter hat ja das Zimmer vorbereitet – oder hier im Bungalow bleiben und den Sternenhimmel (und sich gegenseitig) genießen. Das Paar Knappschritt-Stenzer entscheidet sich für den Garten.


    013-Nach-Hause


    Die Stenzer-Eltern gehen nach Hause. Ein Teil der Unterwegskonversation konnte noch für unsere geneigte Leserschaft aufgezeichnet werden: „Was meinste?“, fragt Frau Stenzer ihren Mann „Die würde ich auch nehmen.“ „Dann geh doch vor in die Ackerstraße, die sollen noch eine davon haben!“ Freundschaftlich drücken sich die Stenzers, ein schon länger gehegter Groll gegen die bisher Unbekannte in der Familie wurde heute ausgeräumt.


    Sonntagfrüh

    In der Gartenanlage ist es ruhig. Vom Fußballplatz dringt leise das Gebrüll des Trainers von Chemie Hohnstadt rüber – heute ist Tabellenspiel gegen Lok Wahrensberge. Normalerweise wäre Arne da heute ganz vorn an der Brüstung dabei und würde seine Liedchen grölen. Die Zeiten ändern sich. Oben rumpelt der sonntägliche Eilzug nach Leipzig durch.


    014-Fussballplatz


    Arne wacht auf und geht erstmal duschen. Vati hat auf dem Dach des Bungalows drei alte Fässer installiert und über eine 1/4 Zoll-Leitung mit der Dusche verbunden. Die Schwerkraft tut dann ihr Übriges. In denen wird tagsüber das Wasser durch die Sonne erwärmt, es ist zwar erst neun, aber die Restwärme von gestern reicht noch für eine schnelle Wäsche. Angenehm plätschert das Wasser von oben herab. Plötzlich streichen zwei Hände über Arnes Rücken. Kathrin schmiegt sich an ihn. Gemeinsames Duschen ist doppeltes Vergnügen.


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    Obwohl das Wasser dann doch kalt wurde, will sich Arne bei einer gemütlichen Club draußen trotzdem erst mal abkühlen. Als er die Tür öffnet, findet er einen Zettel an der Eingangstür. Kommt doch bitte zum Frühstück zu uns rüber. Mutti. Auch an die Zähne und Haare der Gartenbewohner hat Arnes Mutti gedacht. Ein Beutel mit den entsprechenden Utensilien hängt an der Klinke. Irgendwie möchte sie ihren Sohn zurückgewinnen oder doch wenigstens in ihrer Nähe haben. Arne und Kathrin laufen das Stück zu Stenzers. Der Fanblock der Lokmannschaft (immerhin 25 Zuschauer) jubelt. Lok liegt drei zu eins in Führung. Nicht mehr mein Problem, grinst Arne.


    Nach 25 Minuten kommen sie bei Arnes zuhause an. Nächstes Mal mit dem Bock, solange Laufen muss am Sonntagfrüh nicht sein. Oben wird ihnen schon geöffnet, der Frühstückstisch ist fertig gedeckt, es duftet nach frischem Kaffee und aufgebackenen Brötchen. Irgendwie kommt beim Frühstück von Mutti Stenzer die Frage auf: „Könntet ihr nicht ab und zu auch bei uns, also in Arnes Zimmer wohnen? Vielleicht wechseln wir uns jede Woche ab.“ Die beiden schauen sich und wissen nicht so ganz, was sie darauf antworten sollen.


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    Bei Knappschritts hat sich Arne von Anfang an willkommen gefühlt. Hier bei Stenzers soll es seiner Kathrin jetzt anscheinend nicht anders ergehen. Was tun? Zumal auf beide jetzt Schichtdienst zukommt. Wenn Kathrin fertig ist, wird sie erst einmal im Rhythmus der Brigade IV mitlaufen. Für Arne wird es demnächst ähnlich laufen – in einem halben Jahr ist auch er fertig mit der Ausbildung. Vati Stenzer arbeitet schon seit Jahren in der Brigade III. So richtig Ruhe würde dann hier in der kleinen Wohnung bei den ständig wechselnden Schichten nicht einkehren können. So vertagt man dieses Thema erst einmal. Nach dem Frühstück geht es wieder in den Garten. Arne und Kathrin mit der Simme und die Eltern mit dem Warti (Arnes Vater will noch Bastelkram aus der Werkstatt mitnehmen).


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    Zum Abend fahren Arne und Kathrin dann wieder zu Knappschritts, denn dort liegen ihre Sachen für den nächsten Tag frisch gewaschen bereit. Zum Abschied schlägt Mutti Stenzer vor, dass sich vielleicht am nächsten Samstag beide Familien bei Stenzers zum Nachmittagskaffee treffen könnten. Da kann Vati Stenzer gleich noch das Ebenbild der Kathrin kennenlernen.

  • Montagmorgen. Das Wochenende war anstrengend doch der frische Wind während der Fahrt hat die Nachwehen einigermaßen weggeblasen. Arne meldet sich in der Werkstatt an. "Wir fahren gegen zehn raus. Bis dahin haben wir an der 37 zu tun. Und ich zeige dir worauf du bei der Lokübernahme achten musst. Pass schön auf, wenn das nicht sitzt darfst du nicht fahren." Ösendrechsler hat Spaß an seiner Rolle als Lehrer, das merkt Arne.


    Zwei Stunden später kann Arne an der Greta zeigen was er sich gemerkt hat. Sichtkontrolle, Zustand der Radreifen, Bremsen und Stangenlager, Stellung verschiederer Absperrhähne, Signaleinrichtungen. Öse ist zufrieden. Sie steigen auf. Die Schmierpumpe versorgt alle Motorteile der kalten Lok mit Öl und nach dem Vorglühen erwachen neunzehn Liter Hubraum zum Leben. Arne beobachtet die Anzeigen für Öl- und Wassertemperatur, schaut zu wie der Luftdruck sich aufbaut.

    Öse öffnet die Schuppentore, die Drehscheibe schwenkt ein.


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    "Das sieht gut aus. Gib ein Achtungssignal und dann fahr langsam auf die Scheibe. Langsam, ja?!"

    In der Scheibenmitte halten sie an, Öse beugt sich zum Wärter herunter. "Sternburg- Übergabe, zur Wt vorwärts raus."

    Arne kennt die Strecke nun schon und weiß was zu tun ist.


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    "Wir müssen weiter raus bis Stellwerk Wl. Wenn das Rangiersignal leuchtet fährst du mit maximal 30kmh und hältst genau an der Wl. Wir fahren dann rückwärts durch den Verschiebebahnhof. Alles klar?"


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    Arne bejaht. Manno ist das aufregend...

    Die kleine Lok läuft wie geschmiert. Am Stellwerk Wl machen sie Kopf und fahren rückwärts in Richtung Einfahrgruppe.


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    "Das rote Licht da vorne ist übrigens ein Haltesignal, wollte ich nur mal erwähnen!" "Weiß ich doch!" Gekonnt bringt Arne die Maschine zum Stehen.


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    Sie lassen eine zurückkehrende Berglok passieren und umfahren anschließend den Ablaufberg. "Bis zur Weiche in die Richtungsgleise kannste mal Stoff geben, hier ist 40 erlaubt." Das lässt sich Arne nicht zweimal sagen. Öse beobachtet derweil die Maschine: alles in Ordnung, das neue Getriebe "läuft".


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    Die Übergabe steht am Rand der Einfahrgruppe, gleich neben dem Schadwagengleis. Vier E-Wagen mit Braunkohle beladen. Arne setzt die Greta im Schleichgang ganz sachte an den Zug, ein Rangierer hängt an. Luftleitung füllen, Bremsprobe und: "Ihr seid ja zu zweit, muss ich mitkommen?" Öse lehnt dankend ab. Das ist eine reine Platzfrage wegen des Haustrunkes und kuppeln kann der Stift.

    Der Rangierer trollt sich. Nebenan steht die Bremserbude, ein auf den Sand gesetzter Bauwagen. Er hat jetzt eine Stunde Freizeit, sozusagen, die wird er hier abfeiern.


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    "Gleis 29 nach Sternburg, abfahren" schnarrt der Lautsprecher.

    "Denke dran, du hast jetzt ordentlich Last dran."

    Das merkt man, findet Arne. Der Motor wird laut als die Übergabe sich in Bewegung setzt. "Sehr schön, immer mit Gefühl!" Wenn man den jungen Kerlen das gleich von Anfang an eintrichtert hat man dann weniger zu reparieren. Es ist nur eine kleine Fuhre doch Arne fühlt sich wie ein Kapitän auf hoher See aus er sie aus dem Richtungsgleis steuert.

  • Während Arne in Wahrensberge auf der Greta rumturnt, hat Kathrin eine Bekanntschaft anderer Art, in:


    Kathrins elfter Arbeitstag in Hennehof - Exkursion nach Mehlsdorf-Teil 1


    Der unerwarteten Prämie sei Dank, Kathrin kann wieder mit ihrer Schwalbe nach Hennehof fahren. Der Tank ist voll und das Wetter ist gut – also rauf auf den Bock und rüber zur Arbeit. Ihren (Frisuren)Schutzhelm bräuchte sie eigentlich nicht, setzt ihn aber trotzdem auf – der Pilotenhelm ist eben schick und außerdem ihr Markenzeichen. Die Frisur ist jetzt so stabil, da reicht einmal schütteln und sie sitzt wieder. Nicht wegen dem Westhaarspray, das allen drei Wetterformen trotzt (vielleicht sollte die Bahn ihre Gleise damit mal einsprühen – Tusch!), sondern wegen ihrer guten Frisörin – die Schwester ihrer heutigen Arbeitskollegin. Claudias Trabbi steht schon vor dem Stellwerk. Die Schwalbe daneben aufgebockt und fix die Treppen hoch.


    Häuslich einrichten muss sie sich gar nicht erst, heute soll sie ja nach Mehlsdorf rüber und zumindest mal das Befehlsstellwerk kennenlernen. Der Achter Zug ist in einer halben Stunde da. Das reicht noch für einen Kaffee. Mit ausreichend Koffein im Kreislauf geht es rüber zum Bahnsteig. Eine Station – acht Minuten Fahrzeit. Zurück geht es nachher mit dem Mittagszug, der kommt kurz vor den Kübeln aus Hohnstadt wieder hier an, also ist sie rechtzeitig zum Essen wieder zu Hause.


    001-AchterZug


    In Mehlsdorf ist Kathrin die Einzige, die aussteigt. Der Zug ist nur mäßig besetzt. Die Werktätigen sind schon alle auf ihren Kampfplätzen und in Richtung Dröpsenstedt fahren um die Zeit meist nur die Leute, die weiter weg wollen. Der Personenzug fährt ab dort als Eilzug weiter in Richtung Dessau.


    Auf dem Bahnsteig in Mehlsdorf geht die diensthabende Aufsicht Karin Lipschinski zielgerichtet auf Kathrin zu und begrüßt sie mit Namen. Da hat man mich wohl erwartet, denkt Kathrin bei sich. Nach dem Karin den Zug hat fahren lassen, tauscht man zunächst die üblichen Floskeln aus. Die Dame der Aufsicht freut sich über die Abwechslung. Hier ist ja sonst nichts los und die meisten Fahrgäste sprechen hier sowieso nur russisch. Sie selbst hatte zwar eine Zwei in Russisch, aber den Dialekt hier versteht sie kaum. Und überhaupt scheint man den Kontakt eher zu meiden. Da kommt ihr der Besuch von der Nachbardienststelle ganz recht. Endlich mal ein Fahrgast der Betreuung braucht und zur Fahrdienstleitung will auch nicht jeden Tag jemand.


    002-Bahnsteig-Mehlsdorf


    So kann sie sich gleich mal die Beine vertreten und auf dem Rückweg zu ihrer Wohnung rübergehen und nach der Wäsche schauen. Karin Lipschinski ist stolze Besitzerin eines Foron VA871. Da muss sie nachher nur noch schleudern und kann die Wäsche dann draußen aufhängen. Auf dem Weg erfährt Kathrin, dass Karin eigentlich ganz zufrieden hier mit ihrem Posten ist. Totarbeiten muss sie sich hier jedenfalls nicht, Zeit für ihre Blumen hat sie auch und gärtnern befreit den Kopf von unnützem Ballast. Sie würde sich nur endlich mal nette Nachbarn in dem Wohnhaus gegenüber vom Bahnhof wünschen. Manchmal ist das abends ganz schön unheimlich hier, vor allem wenn die Manöverspielchen draußen auf dem Übungsgelände stattfinden. Ihr Mann ist oft nachts nicht da – Lokführer eben. Da ist sie mit ihren drei Kindern leider manchmal allein, da wäre eine Freundin hier draußen schon was. Die beiden Kleinen gehen ja noch in den Kindergarten hier im Ort und der Christian geht schon in die Schule in Hohnstadt in die zweite Klasse. Zu um vier kommt er dann mit dem Bus hier an und kann gleich nach Hause gehen. Manchmal holt er auch seine beiden Geschwister noch aus dem Kindergarten ab und kommt dann mit allen hier rüber. Mama ist ja gleich nebenan und das wissen die drei. Es klappt schon ganz gut.


    003-B1-Mehlsdorf


    Vor dem Stellwerk sagt Karin, das Kathrin den Dienstweg nun kennt und auch allein zurückfindet. So verabschiedet sich Karin mit einem Augenzwinkern erst mal. Man sieht sich ja nachher nochmal. Wenn sie rechtzeitig vor dem Mittagszug bei ihr ist, können sie ja noch einen Kaffee trinken.

    Kathrin geht die steile Außentreppe nach oben. Wie das hier wohl im Winter ist? Oben auf dem Stellwerk empfängt sie Thomas Kugel - 54 Jahre, ledig und ein Dienstgewicht von 152 kg. Wie der die Treppe hier jeden Tag hochkommt, überlegt Kathrin gerade, als ihr der etwas abgestandene Männergeruch des Stellraumes entgegenschlägt. Ganz anders als bei ihr drüben in Hennehof. Wenigstens stehen die Fenster offen.


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    Nach einer kurzen Vorstellung schaut man sich gemeinsam den Lageplan und die Hebelbank an. Locker wuchtet Thomas zur Vorführung die Hebel der Bauart Bruchsal für Riegel und Weichen hoch und runter, dann einen Fahrstraßenhebel nach oben und wieder zurück, der geht viel leichter. Die Signalhebel müssen noch warten, bis eine Zugfahrt nach Hennehof dran ist. Es kommt aber nicht mehr so oft vor, dass einer davon bedient werden muss, meint er. Seitdem es hier ein Lichteinfahrsignal aus Richtung Hennehof gibt, das vom Blockfeld der elektrischen Fahrstraßenfestlegung geschaltet wird, ist nur noch die Hälfte der Bedienungen der Signalhebel auf dieser Hebelbank notwendig. Zwischendurch holt der amtierende Fahrdienstleiter immer wieder ein Taschentuch aus seiner Hose und wischt sich die Stirn und sein Gesicht damit ab. „Warm heute, wa?“, sagt er mehr zur Rechtfertigung zu Kathrin.


    Sie schauen sich das Zugmeldebuch an. Ziemlich kraklige Schrift, aber die Einträge sind lesbar. Der kleine Schreibtisch wirkt aufgeräumt, aber es fehlt an Gemütlichkeit. Alles hier oben ist zweckdienlich, weniger „wohnlich“. Eine einzige Topfpflanze steht auf dem Fensterbrett neben dem Zugmeldertisch, die sich nach Wasser zu sehen scheint. Darum wird sich Kathrin nachher noch kümmern.


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    Ansonsten ältere Technik, ein paar Blockfelder, Spiegelfelder und Schlüsseltaster, das zweite abhängige Wärterstellwerk muss mitwirken und die Freigaben von hier bekommen. Auf der Hebelbank auf den Plätzen der ehemaligen Einfahrsignalhebel steht seit kurzem ein kleines Gleisbildpult zur Bedienung der Ersatzsignale, des Einfahrsignals und zur Anzeige des neuen Streckenblocks nach Hennehof. Kathrin kennt solche Technik nur aus den Stunden der Lehrunterweisung an der Modellbahnanlage in ihrer Berufsschule. Dort sind die verschiedenen Stellwerksbauarten mit den Weichen und Signalen der Modellbahn verbunden. Somit kann ein originalgetreuer Fahrbetrieb mit allen auftretenden Störungen und Besonderheiten nachgestellt werden. Ein Robotron-Computer kann sogar Fehler in der Anlage simulieren und am Ende gibt der eine Statistik über die dadurch entstandene Gesamtverspätung der Übungsstunden aus. Der „Rekord“ ihrer Klasse lag mal bei knapp sechs Stunden.


    Aber Kathrin soll das Stellwerk hier ja nicht bedienen, sie soll lediglich die Fahrmöglichkeiten hier in Mehlsdorf kennen lernen. Und natürlich auch die Kollegen. Übrigens, sagt der Herr Kugel, ist dieses Stellwerk für Frauen nicht zugelassen. Der Gedanke so sieht es auch aus macht sich Kathrins Kopf bereit, den sie schnell verbannt. Für die Zukunft gebe es ein Projekt, von der jetzigen Abzweigstelle Neu Zwintscheritz den Bahnhof Mehlsdorf mitsteuern zu lassen.

  • Ösendrechsler schaut auf Arne wie der mit stolzgeschwellter Brust am Seitenfenster steht. "Na warte mal mein Freund!" denkt er und sagt dann: "Der Baum da vorne- halte mal genau auf dessen Höhe an!"

    Arne greift zum Bremshebel, so wie er es bisher gelernt hat. Und merkt recht schnell das es nicht reichen wird. Am Ende steht die Spitze der Lok zwei Meter jenseits des Baumes.


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    "Merkste was?" Öse grinst. Arne nickt. "Ja, das war am Anfang zu zaghaft." "Deswegen üben wir das. Anfahren, und siehst du den Schwellenstapel dort?"

    An den "richtigen" Signalen der Einfahrgruppe hat Arne den Dreh raus und kommt rechtzeitig zum Stehen.

    Die Wartezeit vor Stellwerk Wt scheint kein Ende zu nehmen. "Soll ich mal hupen?" Öse zieht die Augenbrauen hoch. "Nee, die wissen schon das wir da sind. Wir müssen das Einfahrgleis kreuzen und das dauert eben." Draußen vor Wahrensberge stehen die Güterzüge auf Abruf und sobald die Bergloks ein Gleis freigemacht haben rückt der nächste Zug nach.


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    So auch hier: langsam rollt eine 132 in das Nachbargleis. Bw Leipzig Hbf Süd liest Arne ab. Kaum ist der letzte Wagen aus der Weichenstraße heraus da leuchtet das Rangiersignal für sie auf.


    Öse instruiert Arne: "Am Ausfahrsignal bekommen wir Ra12, danach geht es über die Anschlussweiche ins Gefälle nach Sternburg. Wie schnell darfst du als Rangierfahrt fahren?" Das weiß Arne. "20kmh. Als einzeln fahrende Lok sogar 40kmh."

    "Falsch!" Bei Öse`s Antwort klappt Arnes Unterkiefer herunter. "Na aber...." Öse klärt ihn auf. "Das sind die zulässigen Höchstgeschindigkeiten. Du darfst aber nur so schnell fahren das du jederzeit sicher anhalten kannst. Falls du mal auf Lokfahrschule gehst ist das eine Prüfungsfrage und wenn du sie falsch beantwortest bist du durchgefallen. Klar?" Arne nickt. Das hat gesessen. "Außerdem, wenn du einen Rangierer draußen auf einem Wagen hast liegt sein Leben und seine Gesundheit in deiner Hand. Vergiss das nie."


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    Arne steuert seine Fuhre durch die Weichenstraße. Eine Hand hat er am Bremsventil, man kann ja nie wissen. Sie passieren eine 250 welche gerade abgehangen wird. Der junge Kerl auf der Maschine scheint nicht viel älter als Arne zu sein. Mitte zwanzig schätzt Arne, und der fährt so ein cooles Ding... In Hohnstädt gibt es keine E-Loks und Arne ist beeindruckt.


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    Wie versprochen leuchtet am Formsignal das Ra12 und kurz dahinter liegt die Anschlussweiche. Arne kann spüren wie die vier Wagen im Gefälle schieben und bremst an. Vielleicht ein wenig zu stark, ein Fussgänger könnte jetzt mühelos überholen. Er schielt zu Öse, der nickt nur. "In der Ruhe liegt die Kraft. Am Straßenübergang hältst du, gibst kräftig Signal und wenn der Übergang frei ist kannst du hinein ins Haus der magischen Biere".


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    Der "Hof-Heinz" erwartet sie schon und legt ihnen die Weichen. "Nehmt ihr die Leerwagen mit?" will er wissen. Das war so nicht abgemacht aber Öse hat auch keine Lust auf noch mal Werkstattarbeit nach der Probefahrt. Er macht ein paar Anrufe, sie sollen die Wagen in einen der Stumpfgleise des ehemaligen Nordberges abstellen.


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    "So, und jetzt gehen wir einkaufen!" Je zwei Kästen German Pils und Sternburg Hell wandern aus dem Werksverkauf in Gretas Führerhaus. Öse ist zufrieden. "Hat sich doch gelohnt. Und bitteschön- du fährst! Schön vorsichtig damit wir keinen Glasbruch bekommen!"

    Arne schaut auf die Bierkästen. Etwas hat er vorab nicht bedacht: wie soll er seine beiden Kästen mit dem Moped nach Hause bekommen???

  • Kathrins elfter Arbeitstag in Hennehof - Exkursion nach Mehlsdorf-Teil2



    In den knapp drei Stunden auf dem Stellwerk hat Kathrin auch ein paarmal selbst nach Hennehof gemeldet. Beim ersten Mal war Claudia etwas verdutzt, die Kathrin auf der anderen Seite zu hören. Dann sollte Kathrin mal versuchen, für eine der Fahrten den Ausfahrsignalhebel auch einmal zu bedienen. Sie griff den Signalhebel von E mit beiden Händen, so wie sie es bei dem Herrn Kugel gesehen hatte und zog. Auf halben Hebelweg ließ sie aber etwas los und die Unterwegssperre krachte hinein. Damit war das Ausfahrsignal nicht mehr auf Fahrt zubekommen. Der Hebel ging nicht bis zum Ende zu bewegen und musste sogar zurückgelegt werden. Thomas bediente daraufhin das Ersatzsignal.


    006-Ersatzsignal


    Als Grund für diese nachweispflichtige Bedienhandlung schrieb er Schwergang ein. Thomas war von der Arbeitsweise bei den Einträgen im Zugmeldebuch sehr überrascht. Hier in Mehlsdorf ist der Mangel an Frauen auf dem Stellwerk deutlich zu sehen, das merkt jetzt sogar er selbst.


    11:30 Uhr, Kathrin gibt dem beleibten Fahrdienstleiter zu verstehen, dass sie sich jetzt wieder auf den Weg machen muss. Der Herr Kugel ist ganz nett, aber sie ist froh, wenn sie hier wieder weg ist. Da genießt sie lieber die restliche Zeit den versprochenen Kaffee in der Aufsicht bei Karin. Kurz vor zwölf kommt der Mittagszug und Kathrin verabschiedet sich von der netten Dame in der Aufsicht. Kathrin hat so ein Gefühl, dass sie sie bald wiedersehen wird.


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    In Hennehof Mittagessen und dann wieder Regelbetrieb. Claudia will wissen, wie es drüben war. Nichts Besonders meint Kathrin und ist mit den Gedanken schon wieder bei ihrer bevorstehenden Prüfung. Claudia, ein Fuchs (im wahrsten Sinne des Wortes) merkt die Anspannung und gibt ihr noch ein paar Tipps und Verhaltensregeln.


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    „Ich bestimme nach innen und außen was fährt, du fragst immer ob und erst nach meiner Zustimmung wiederholst du die Zugmeldung. Rückmelden nur wenn ich es sage und wenn geblockt ist! Alle Ansagen mit exakter Zugnummer, keine Namen für die Züge. Meldung bei Annahme des Gespräches immer so wie du es kennst mit Lehrling.“ Claudia macht eine Handbewegung, die aussagt und so weiter und so weiter. „Du kennst das doch alles schon. Dem Dispatcher meldest Du selbstständig nach fünf Fahrten mit dem vorherigen Ruf Hennehof in den Schwanhals. Anfragen an den nur wenn ich das sage. Das schaffst du locker.“, sagt sie und nimmt Kathrin nochmal sanft in den Arm. Das tut gut, trotzdem bleibt die Anspannung. Mittwoch ist ihr großer Tag.



    Was sonst noch so an diesem Tag passierte oder die Füchsin auf Achse



    Hahn, Leiter der Dienststelle, gibt nach Cordulas Anfrage das o.k. für den Ausbau der Tür und der Fenster aus dem alten W2, es sollte ja sowieso alles auf den Bauschutt.

    Claudia ist nach Feierabend also gleich noch rüber und hat die Fenster dort ausgemessen. Als nächstes sucht sie den ABV in Mehlsdorf auf. Nein, es ist nichts meldepflichtiges passiert. Der ist nur Hühnerzüchter und man kennt sich. Die Kinder füttern immer das Federvieh am Zaun oder spielen beim Nachbarn mit dem Hasen, wenn sie zu Besuch bei ihrer Freundin dort ist. Jedenfalls sucht der Dorfpolizist für seinen Stall größere Fenster und das passt in ihren Plan. Also die Kinder aus der Krippe (im selben Ort) abgeholt und mit ihnen die Hühner und Hasen besucht.


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    Beim Plausch erfährt sie, dass die BHG an der Hohnstädter LPG noch acht Fenster stehen hat, die für den Hasenbesitzer reserviert sind, die aber wegen eines Maßfehlers bei ihm im Stall in der Höhe nicht passen. Die Fenster aus dem alten Stellwerk wären da geeigneter, außerdem würde der Hühnerzüchter neben den vier Fenstern aus dem Untergeschoss auch noch gern die Tür von dort nehmen, denn der Fuchs war schon ein paar mal zu Besuch (nicht die Füchsin) und war dabei nicht gerade zimperlich.

    Ja und nun muss die ehemalige Füchsin (jetzt Ackermann) Nägel mit Köpfen machen. Gemeinsam fährt Claudia mit den Kindern zu Cordulas Haus. Als sie die Fensteröffnungen nachmisst, fehlen ca. 8cm in der Breite. Also zu Maurer Gottfried fahren. Der hängt auf einer Baustelle der nachbarschaftlichen Hilfe in Mehlsdorf – also wieder zurück. Dem Maurer die Situation erklärt, mit den Augen klimpern und voila; der sagt: „Nehmt die Fenster, das krieg ich schon hin.“


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    Ein Blick auf die Uhr - Wie spät ist es? Gleich halb sechs. Das schafft sie heute nicht mehr zur BHG, also gleich morgen früh, nachdem sie die Kinder zur Krippe gebracht hat. Bis neun müssen die da sein, später dürfen die Kleinen ja nicht gebracht werden (und wer es doch tut, stört den Morgenkreis und ist doof). Von da dann rüber zum Hasenbesitzer, den einladen und ab zur BHG, die Fenster kaufen und die Anlieferung an dessen Adresse festmachen. Auf der BHG muss ja der Ringtausch nicht unbedingt bekannt werden, sonst würde womöglich noch jemand anderes die acht Fenster bekommen. Claudia steigt wieder in ihre Rennpappe - die Kinder quengeln schon, dass sie Hunger haben. Trotzdem nochmal schnell rüber zum Hasenbesitzer und Bescheid gesagt, dass morgen früh der Fensterkauf festgemacht wird.


    Zu Hause angekommen hat René schon das Abendessen vorbereitet. Die Kinder stürmen rein und springen ihrem Papa in die Arme. Diese Rasselbande. Nach dem Essen bringt der auch die Kinder ins Bett und Claudia kann sich noch Gedanken über die Fenster machen.

    Sie muss noch jemanden für den Ausbau der Fenster im W2 organisieren und zu allem Überfluss auch noch einen Sipo, der die Absicherung des Bereiches gegen Zugfahrten gewährleisten muss, denn das W2 steht nicht nur eng am Gleis – nein sie müssen die Fenster auch noch über die zweigleisige Strecke tragen. Mit einem Fahrzeug kommen sie da ohne weiteres nicht ran. Und apropos Fahrzeug.


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    Den Barkas der Bahnmeisterei Mehlsdorf zum passenden Termin für die Runde Hennehof W2 - Hühnerzüchter – Hasenbesitzer - Cordulas Haus organisieren. Ein zweiter Mann muss mit beim Auf- und Abladen helfen. Vielleicht können die Gleisbauer mal ihren Kaffee bezahlen, mal mit Simone reden. So viel zur Vorbereitung des Programms der nächsten Tage. So ist das, wenn die Männer nicht da sind oder keine Zeit haben und es viel zu wenig Telefone gibt.

  • Der Verschiebebahnhof Wahrensberge war einst wichtige Eisenbahnschnittstelle genau an der Grenze zwischen Sachsen und Preußen. Über insgesamt fünf Ablaufberge und in zwei Arbeitsrichtungen wurden täglich Hunderte Güterwagen bearbeitet. Nach der kriegsbedingten nahezu völligen Zerstörung verzichtete man auf den Wiederaufbau der Nordanlage. Heutzutage stellt man in den verbliebenen Stumpfgleisen fertiggestellte Güterzüge ab die wegen Lokmangel nicht abgefahren werden können.


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    Mit Arne am Steuer tuckert Greta durch den gesamten Verschiebebahnhof. Ihnen wurde Gleis 113 zum Abstellen der Leerwagen zugewiesen und das kann nur von der Gegenseite aus erreicht werden. Angesichts der vielen Gleise und Stellwerke hat Arne inzwischen die Orientierung verloren, er macht genau das was Öse ihm ansagt. Am Stw Ws steigt ein Rangierer auf.


    Ösendrechsler ist mit Arne`s Fahrerei zufrieden. Dennoch entscheidet er das der Spaß nun ein Ende hat. Durch die Weichenstraßen der Stellwerke Ot, Rot und Stw mit den kreuzenden Fahrwegen wird er den Jungen nicht fahren lassen. Zudem müssen sie Kopf machen und mit dem Rangierer auf der Spitze nach Gleis 113 schieben. Arne ist darüber nicht böse, jetzt kann er in Ruhe nachdenken was er mit seinen Bierkästen machen kann.

    Der Rangierer hatte angesichts der Lok große Augen gemacht. "Wo habt ihr die denn gefunden?" Öse erklärt es ihm knapp. "Funk hat die natürlich nicht?" Nee, leider nicht. Auch gut, er hat ja sein Handfunkgerät mit.


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    Vor Stw Ot wird Kopf gemacht. "Domspatz kommen für Rammel 15" Der Rangierer funkt den Fahrdienstleiter an. "Domspatz hört" Die Frauenstimme kommt leicht verzerrt an. "Rammel 15 mit 101.... " er schaut dahin wo eigentlich die Loknummer angeschrieben sein sollte "...eh, 101 900 nach Gleis 113."


    Die Domspätzin lässt sie nicht lange warte. Arne kann genau beobachten wie sich die Weichen legen. Der Rangierer hat sich derweil auf dem letzten Wagen welcher nun die Spitze ist postiert. "Rammel 15 nach 113 abfahren!" Drei Pfiffe von der Spitze, "Kommen" signalisiert der Rangierer.


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    Öse setzt die Fuhre in Bewegung und Arne hat einen Gedankenblitz. Benny Quackmich von nebenan hat doch eine Schwalbe. Mit Hängerkupplung! Mit dieser und Vaters Fahrradanhänger müsste es gehen. Und der Quackmich ist ihm sowieso noch einen Gefallen schuldig., Genau, das könnte klappen!


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    Gleis 113 ist eines der ehemaligen Einfahrgleise für den Nordberg. Ein paar Wagen stehen schon darin. Drei Längen, zwei, eine- Halt! Nach dem Abhängen schaut Öse auf seine Uhr. "Nicht das wir den Feierabend noch verpassen...!" Die Aktion hat sich doch ziemlich lange hingezogen.


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    Am Posten 5 melden sie sich für die Fahrt zum Bw an. Vor der Drehscheibe sieht Öse den Werkstattmeister. Das Gesicht zur Faust geballt kommt er angestiefelt.

    "Kannst du mir mal sagen was bei euch so lange gedauert hat?" Öse zieht eine Unschuldmiene. "Naja, wir mussten ein paarmal anhalten und etwas nachregeln.... das geht eben nicht so schnell. Deine Kundschaft soll schließlich zufrieden sein, oder? Was guckst du so, is was?"

    Der Meister guckt schon etwas weniger angepisst. "Die DKB- Lok ist liegengeblieben. Der Lokleiter hat angefragt ob wir die austauschen und reinholen können."

    DKB- das ist die Duselhausener Kleinbahn. Eine Nebenstrecke kurz vor der Betriebseinstellung. Bw Wahrensberge fährt die zwei Reisezugpaare und den Nahgüterzug mit der V15.


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    "Hast du noch Streckenkenntnis nach Rackwitz?" Öse kratzt sich am Kopf. "Gerade so. Aber heute nicht mehr!" Das kann der Meister vergessen, heute gibts beim Fleischer Steaks und er hat sich welche zurücklegen lassen.

    "Gut, dann musst du eben morgen früh raus. Die Ersatzlok soll um halb sechs in Rackwitz sein. Nimm die 34 und..." er zeigt auf Greta "...was ist mit der? Geht die, hat die noch was im Tank?" Öse nickt. Das kann ja was werden. Dann sollte er früh um drei Uhr aufstehen und gegen viere hier rausfahren.

    Der Meister schaut Arne an. "Du kannst mitfahren wenn du es schafftst beizeiten da zu sein. Wenn du willst kannst du auch im Bw übernachten."

    Arne sieht seinen Biertransportplan in Gefahr. Hier übernachten geht garnicht. Er braucht die Schwalbe und wer weiß was Kathrin für ein Drama macht wenn er nachts in der großen Stadt bleibt. "Is klar Meister, ich bin morgen früh da."


    Nachdem der Meister verschwunden ist laden sie Öses Bierkästen in seinen Trabi um und machen sich auf zum Lokleiter. Arne erstarrt, diesmal ist der Opa von neulich hinter dem Tresen. Der schaut ihn an, scheint ihn aber nicht wiederzuerkennen. Dafür hat er einen Plan. "04:21 Uhr meldet ihr euch bei Posten 3 an."

    Das ist ja lange vor dem Aufstehen, Kathrin wird begeistert sein. Aber immer noch besser als wenn sie Little Miss Drama spielt denkt sich Arne.


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    Sie stellen noch ihren kleinen Lokzug für morgen zusammen dann befiehlt Öse Feierabend. Arne beschaut sein Moped. Ob er die Kästen nicht doch lieber auf den Seitengepäckträgern irgendwie festbindet? Er verwirft den Gedanken.

    Der Quackmich wird schon mitspielen ansonsten kann der die nächste Reparatur mit seinen beiden linken Händen voller Daumen selber machen.

  • Frühaufstehen mit Arne


    Kathrin und Arne schlendern über die Waldlichtung am Hennehügel. Ihre Waldlichtung. Die haben sie vor Kurzem entdeckt, als Arne seine Liebste letzte Woche von Hennehof abgeholt hatte und sie noch ein wenig spazieren gehen wollte. Sie sind auf den Gleisen der alten Nebenbahn (von den Einheimischen jetzt die Russenbahn genannt, da hier ab und zu noch der eine oder andere Militärtransport des großen Bruders in den Wald rollt) balanciert. Dort war sie dann, ganz versteckt am Rande des Sperrgebietes, hier kommt so gut wie keiner vorbei.


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    Arne legt sich in das weiche Gras und schließt die Augen. Etwas streicht ihm über das Gesicht. „Ja mach weiter, mein Schatz.“, murmelt er vor sich hin. Er spürt, wie ihm etwas über die Brust streicht und sich in seiner Lendengegend als ein gewisser Druck festsetzt. Er wartet ab, kann seine Augen nicht öffnen, irgendwas hindert ihn daran. Schnurrend säuselt ihm Kathrin Liebesbekundungen zu. Plötzlich ertönt von Weitem ein Läuten. Was? Ein Transport, jetzt und hier? Nein, das kann doch nicht wahr sein! Das Läuten kommt näher, Arne wird panisch, er öffnet seine Augen und es ist dunkel. Zwei grüne Lichter leuchten ihn an und er fuchtelt vor sich hin. Fauchend bewegen sich die Lichter weg und Arne realisiert, dass der Wecker klingelt. 2:30 Uhr. Zu früh, viel zu früh. Er drück das nervige Gepiepe des roten Ruhla-Kunstoffweckers weg. Leopold schaut ihn von unten vorwurfsvoll an und Kathrin dreht sich murmelnd in dem warmen Bett um. Er kann noch verstehen, mach nicht so laut und lass das Tor nicht wieder offen. Ja, mein Schatz, ich liebe dich auch.


    Warum klingelt dieser blöde Wecker so zeitig? Arne steht auf und kommt langsam zu sich – ach ja, heute wollten sie raus auf die Nebenbahn und das Bier muss er auch noch nach Hause bekommen. Er schwingt sich aus dem Bett und macht sich im Bad frisch. Sachen hat seine Schweigermama gestern schon für ihn rausgelegt. Unten findet er eine gut gefüllte Frühstücksdose mit einem Zettel daneben. Nur noch die Kaffeemaschine anschalten, Thermoskanne steht daneben. Mutter Knappschritt kanns nicht lassen. Kathrin wird wieder die Augen verdrehen – na er muss es ja nichts erzählen.


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    Kurz vor drei, Arne steht draußen und macht die Schwalbe von seinem Kumpel startklar. Blöde Karre, bockt beim Gaswegnehmen und die Lichtkupplung für den Anhänger hat einen Wackler. Egal, das Einemal wird es gehen. Der rechte Reifen vom Anhänger hat schon wieder Luft verloren. Keine Zeit jetzt dafür, aufgestiegen und los.


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    Es geht durch die erwachende Vorstadt rüber zur Neustadt. In gut zweieinhalb Stunden wird auch seine Liebst hier vorbeiknattern. Die ersten Werktätigen stehen am Bus und warten auf ihre Fahrgelegenheit zu ihren Kampfplätzen für das Klima den Frieden. Hinter Nord (Neustadt) ist nicht mehr viel los auf der Landstraße. Von Weitem kann Arne sehen, dass oben die Schranke mal wieder zu ist. Also langsam ranrollen lassen. Von hier geht es durch den Wald – links und rechts stehen die Schilder des Sperrgebietes. Über den alten Übergang der Kleinbahn rüber…


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    …dann kommt er nach Mehlsdorf rein. Langweiliges Kaff – seine Kathrin war vor Kurzem hier, die Kollegen kennenlernen. Sie hat von einer Karin erzählt, die am Bahnhof wohnt, da sind wohl noch Wohnungen frei, na wer weiß.


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    Hinter Mehlsdorf ist auf der linken Seite immer noch Sperrgebiet, rechts erstrecken sich die Felder der LPG (P) Rotes Gemüse Hohnstadt. Als Kinder haben sie immer in den Strohballen der großen Miete gespielt, von oben runtergesprungen oder Buden gebaut. Irgendwann rutschte das ganze aber ab und sie bekamen mächtig Ärger von Freddy Kroger – das nächste Mal fresse ich euch, wenn ich euch hier erwische, hat der geschrien. Irgendwie unheimlich war das. Seitdem waren sie nicht mehr dort.

    Einsam knattert Arne über die Straße. Hier an der Dieselstrecke ist um die Zeit noch nicht viel los. Die Schranken in Zwintscheritz sind offen und Arne holpert über den Übergang. Es poltert kräftig und der olle Handwagen hätte sich fast überschlagen.


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    Langsamer, denk sich Arne. Ein Blick auf die Uhr. 3:40 Uhr. Das wird knapp. Er muss Gas geben und hoffen, dass es passt. Bockig springt die Schwalbe nach vorn und Arne entfernt sich in die morgendliche Dämmerung auf dem Weg nach Wahrensberge.

  • Der Mopedscheinwerfer tastet sich den Schwarzen Weg entlang welcher hinaus zum Bw führt. Vorsichtig umfährt Arne die zahlreichen Schlaglöchter. Hinter ihm klappert und scheppert Vaters Blech- Fahrradanhänger.

    Die Schwalbe zu bekommen war einfach. Arne musste dafür nur seine heißgeliebte Simse für die Zeit an Quackmich abtreten. ("Na ick muss doch ooch mit was inne Berufsschule kommen. Ach so, na wenn ick die von dich krieje denn is jut!).

    Das Problem war der Anhänger. Der hatte einen Platten und die Beleuchtung funktionierte ebenfalls nicht. Als versierter Bastler kam Arne damit natürlich zurecht aber Zeit kostete es dennoch. Schöne Kathrin- Zeit- bedauerte er ganz leise. Dann sprang und kippelte der leichte Hänger während der Fahrt bei jeder Unebenheit der Straße, und davon gab es viele.


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    Rund zwanzig Minuten Fahrzeit hat Arne deswegen verloren, es wird wieder einmal knapp. Er stellt die Schwalbe ("So eine Mistmöhre! Naja, für einen Tag geht es mal!") ab und rennt zum Lokschuppen.

    Greta steht schon hellerleuchtet und mit laufenden Motor bereit. Wohlige Wärme schlägt ihm aus der Führerhaustür entgegen.

    " Oha, da isser ja doch noch!" Ösendrechsler grinst. "Dein Kopfkissen wollte wohl nicht mit? Oder hat sie dich nicht runter weggelassen?" Es folgen noch ein paar derbe Sprüche zu dem Thema, dann zeigt Öse auf seine Thermoskanne. "Trink erst mal `nen Kaffee."


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    Das macht er sonst nie, Arne scheint bei ihm einen mächtigen Stein im Brett zu haben.

    Es ist viertel nach vier. Öse gähnt herzhaft, die Nacht war kurz. Er kennt die Strecke. Raus auf den Güterring, über die Holzmüllerkurve zur Berliner Schiene bis Rackwitz und dort in den Kleinbahn- Bahnhof. Die defekte Lok steht irgendwo in der Pampa, dort hin fahren sie auf Sicht. Ab dem Abzweig nach Berlin würden sie sich beeilen müssen, da kann die Greta mal zeigen was sie drauf hat.

    "Na dann, auf ihn mit Gebrüll!" Sie ziehen zum Posten 3 vor. "Dstlz 78233 nach Rackwitz" Der Wärter meldet sie vor nach Stellwerk Stw welches die Einmündung in die Hauptstrecke deckt. "78233 abfahren!"


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    Arne beobachtet die Strecke. Weichenlaternen, beleuchtete Gleissperrsignale, die Rangierer mit ihren Handlampen, die nächtliche Kulisse fasziniert ihn. Vor ihnen wechselt das Sperrsignal am Posten5 auf Gsp1 und Greta schaukelt sich durch die DKW`s auf die Hauptstrecke. Öse macht nun auf und lässt laufen. Am Haltepunkt Industriegelände West warten die ersten Pendler, das Blocksignal dahinter leuchtet grün.

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    Ein erster heller Streifen am Osthorizont kündigt den neuen Tag an.

    Sie sind unterweg.

  • Zwei gelbe Lichter am Ende einer langgestreckten Kurve. Öse reckt sich, drückt die Schultern durch.


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    "Nächster Halt Klein- Kleckersdorf. Ende der beliebten Schnellfahrten, wer unbedingt hierher will kann aussteigen!" Na sowas, soviel Humor hätte Arne um diese Zeit nicht erwartet. Eine Abzweigweiche, ein Bahnübergang und dann rollen sie in den nahezu unbeleuchteten Kleinbahnteil von Rackwitz. "Hmmm, frische Landluft!" Es riecht nach nach Ruß, Metall und irgendwie elektrisch wie ein durchgebrannter Trafo. Öse zeigt auf die Industriefassade hinter einem Drahtzaun. "Das ist das Leichtmetallwerk." Weit und breit ist niemand zu sehen. Sie steigen ab und steuern ein spärlich erhelltes Fenster an.


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    Eine in den Angeln quietschende Holztür, knarrende Dielen und der schale Geruch von billigen Zigarren und Abort. Drei Männer sitzen im Aufsichterraum, mit Skatkarten in der Hand.

    "Moin die Herren, wir haben was ganz tolles für Euch mitgebracht!" Mit dem Charme eines Sandsturmes bricht Ösendrechsler in die Idylle ein. Wenn er schon mitten in der Nacht raus muss dann sollen die gefälligst auch etwas davon haben.

    "Achtzehn, zwanzig, weg! Müssen wir heute etwa doch noch arbeiten?" lässt sich einer der Herren vernehmen. "Tja, Männer, das Leben der Cowboys ist hart." Öse kennt keine Gnade. "Hier, die Übergabepapiere. Wo steht die kaputte Lok und was ist mit der?"


    Die steht in Krostitz, einer der Unterwegsbahnhöfe. Lief plötzlich nicht mehr richtig und blieb dann stehen. Man hat sie und die wenigen Wagen der Übergabe nacheinander mit einem Traktor der benachbarten LPG "Rotes Rindvieh" von der Strecke gezogen. Irgendwie scheint auch etwas ausgelaufen zu sein, jedenfalls war da eine große Pfütze Öl. "Wir haben bissel Häcksel draufgeworfen, damit der Streckenläufer nicht ausrutscht.!" Arbeitsschutz wird hier sehr ernst genommen, das merkt man sofort.


    Der älteste der drei erhebt sich. "Dann mache mal deinen Zug fertig."


    Das Ende der Nebenbahn ist absehbar. Je ein Reisezugpaar früh und spätnachmittags bewältigt die zwanzig Kilometer zum Endbahnhof in einer knappen Stunde.

    Für die wenigen Pendler genügen zwei ehemalige Triebwagen- Beiwagen, gezogen von einer V15. Die Ofenheizung darin spendet in der kalten Jahreszeit etwas Wärme. Dazu kommt noch ein Nahgüterzug für den landwirtschaftlich Bedarf und die Versorgung der Krostitzer Brauerei. Lediglich im Herbst während der Rübenkampagnie herrscht mehr Betrieb, dann wird auch der Streckenast von Rackwitz nach Duselhausen bedient.


    "Ihr könnt hinter dem Personenzug fahren, jetzt ist sowieso noch alles unbesetzt. Wollt ihr einen Kaffee?" Wer kann dazu schon nein sagen. Trotzdem, der Mief in der Hütte nimmt Arne die Luft. Wie im Pumastall, nur schlimmer, denkt er. "Ich gehe draußen gucken" Und raus ist er, erst mal tief Luft holen...


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    Lok- und Zugführer des Personenzuges beschäftígen sich mit ihrer neuen Lok. Die Anschrift an Greta löst einige Verwunderung aus. "Bekommen die Dinge jetzt Namen?" "Ja" Arne nimmt den Ball an, "die sollte eigentlich Erich oder Wladimir heißen. Aber dann kam die Quotenbeauftragte und wollte was werteorientiert feminines und progressives. Deswegen Greta." Ungläubiges Staunen liegt in den Kulleraugen der beiden. "Also nee, Zustände sind das..."


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    Sie stellen ihren Zug zusammen. Kurz vor der Abfahrt sind tatsächlich die drei Fahrgäste erschienen. Signale gibt es auf der DKB nicht, der Aufsichter hebt die Kelle und brummelnd macht sich die kuriose Zugzusammenstellung auf den Weg.


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    "Ihr könnt los wenn Krostitz den zurückmeldet. Noch `n Kaffee?" Arne drückt die Blase. Aber nach Besichtigung des Abortes entscheidet er das er sich lieber draußen einen Baum sucht.


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    Eine dreiviertel Stunde später klingelt das Telefon. "So Männer, ihr dürft. Kennt ihr euch hier aus?" Öse schüttelt den Kopf. "Nicht wirklich, ist lange her."

    "Die Lok steht in Krostitz an der Rampe. Wenn ihr hinfahrt kreuzt ihr in Pröttitz im Ladegleis den Personenzug. Weichen müsst ihr euch selber legen. Schaut auf die Geschwindigkeitsbegrenzungen, der Oberbau ist total im Eimer. Und wo ein P steht müsst ihr pfeifen. Die Bauern wissen das hier kaum was los ist und fahren ihre Trecker nach Gehör. " Öse schubst Arne in die Seite. "Haste zugehört? Schön langsam und geräuschvoll. Wie zu Hause, wenn Sie verstehen was ich meine. Du fährst. Oder soll ich?" Nein, um Gottes Willen, das übernimmt Arne gern.


    Nachdem das Leichtmetallwerk hinter ihnen liegt wird die Luft schnell besser. Auf den Weiden steht Vieh, es riecht nach feuchten Wiesen und Kühen.


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    "Ist ja idyllisch hier" entfährt es Arne. Öse erscheint irgendwie abwesend. "Ja, noch" brummt er. Und: "Das kommt alles weg."

    Irgendwas stimmt mit ihm nicht. Arne schaut fragend zu ihm hinüber. Glitzert da etwa etwas in seinen Augen?

    "Gucke gefälligst auf die Strecke!"

    Nach einer Weile beginnt Öse zu erzählen. Er ist hier draußen aufgewachsen, auf einem der Dörfer. Seine Familie lebt hier immer noch. Vor ungefähr zehn Jahren erklärte man den Landstrich dann zum Bergbauschutzgebiet. Neubauten wurden untersagt, Werterhaltung nur noch auf das nötigste beschränkt. In dreißig Jahren, so um das Jahr 2000 würde hier ein riesiger Braunkohletagebau sein.

    Man beabsichtigt die gesamte Landschaft um Duselhausen umzubaggern. Links und rechts der Berliner Schiene würden Mondlandschaften entstehen. Einhundert Jahre später bekämen die Restlochseen dann die Namen der überbaggerten Dörfer, immerhin. Der Streckenast zwischen Rackwitz und Duselhausen fiel schon dem Tagebau Südwest zum Opfer und war nicht mehr durchgängig befahrbar. Und das hier wäre dann der Großtagebau Duselhausen Nordost.

    Arne schweigt und rechnet. Das wäre dann also in fünfzehn Jahren. Alles weg? Er kann es sich nicht vorstellen.


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    Schön langsam und immer kräftig Achtungssignal gebend geht es voran. Die Bahnhöfe bestehen aus zwei Weichen, einem Ladegleis mit Rampe und einem kurzen Bahnsteig. Zschölkau, Hohenossig, Kletzen. Nächste Station ist Pröttitz.

    "Weißt du wie Kreuzung im vereinfachten Nebenbahnbetrieb geht? Hereinpfeifen und so?"

    Das war dran in der Berufsschule. Aber vor langer Zeit. Öse geht mit Arne den Ablauf durch.

    Der Übergang über die Fernstraße 2 ist mit Blinklicht gesichert. An der Trapeztafel davor hält Arne an.

  • Für die nächsten Minuten ist Arne das Bodenpersonal. Er schaltet das Blinklicht ein und - nachdem Öse mit der Lok den Übergang passiert hat- wieder aus, legt die Weiche nach Ladegleis und wieder zurück. Öse ist gnädig und lässt ihn außen auf dem Rangiertritt mitfahren. Sie halten ganz vorn vor der Gleissperre und nun gilt es abzuwarten.


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    Die Schilderungen von Ösendrechsler beschäftigen Arne. Bäume, Häuser, die Ortschaften, das soll alles weg? "Und die Menschen?"

    "Die bekommen eine symbolische Entschädigung und werden umgesiedelt. Vermutlich in irgendeinen Neubaublock in Wahrensberge."

    Nach zwanzig Minuten kommt der Personenzug. Er hält an der Trapeztafel und gibt Achtungssignal. Arne hat sich inzwischen an der Weiche postiert.


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    Lang- kurz- lang antwortet Gretas Typhon. Kommen! Langsam passiert der Zug die Weiche. Eine Oma in einem der Wagen und die beiden Hillbillies auf der Lok zählt Arne.


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    Die Weiche geht schwer, es braucht einen kräftigen Ruck sie umzustellen. Kommen! winkt er in Richtung Greta und stellt hinter ihr die Weiche wieder in Ausgangstellung. Öse räumt den Platz auf der rechten Seite. "Fahre du weiter. Und immer schön pfeifen!"


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    In Krostitz sehen sie ihren Patienten am Rand stehen. Öse dirigiert Greta in das Nebengleis. "Wir gucken erst mal ob hier jemand zu Hause ist" legt er fest.

    Ein alter Herr ist Vorsteher, Aufsicht und Fahrkartenverkäufer in einer Person. Komischer Kauz, findet Arne. Er spricht mit harten Akzent und rollenden R und redet sie in der dritten Person an. Ein ehemaliger Schlesier oder Ostpreuße ist das klärt ihn Öse später auf. Was mit der Lok ist weiß er nicht, woher auch.

    "Er kann sie sich anschauen. Bestimmt will er sie umrrrangieren, wenn errr soweit ist dann sagt er Bescheid. Er kann ja den Burrrschen schicken." Den Burschen? In der "Freie Fahrt" war neulich ein Artikel über einen Heizer der bis 84 Jahre noch gefahren ist. Zum siebzigjährigen Dienstjubiläum wurde er vom RBD- Präsidenten in den Ruhestand verabschiedet. Der Typ hier scheint auch so ein Exemplar zu sein. Arne beschließt lieber die Klappe zu halten.


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    Sie inspizieren die Lok. "Gib mir mal die Taschenlampe!" Öse öffnet die Klappen, kriecht unter die Lok. So schlimm ist der Schaden garnicht. Eine geplatzte Hydraulikverbindung hat die Lok lahmgelegt. Nichts was man nicht sogar hier reparieren könnte wenn man Teile und Öl mit hätte. Hat man aber nicht.

    Gemeinsam mit Arne überprüft er die Lauffähigkeit. Dann ist Arne dran. Öse hat genügend Vertrauen in dessen Fahrkünste um ihn erstmals alleine fahren zu lassen. Viel passieren kann hier nicht. "Du setzt ran, dann ziehst du sie zurück. Der Herr vom Burschen geht derweil Bescheid sagen" -Öse grinst- "und dann umfährst du sie. Klar?"

    "Klar. Stellst du die Weichen?" Öse schaut Arne mit gespielter Entrüstung an. "Lehrjahre sind keine Herrenjahre junger Mann. Was glaubt er denn wer er ist? Wenn er gestellte Weichen wünscht so muss er sich die selbst besorgen. Wir erinnern ihn huldvoll daran die Loks dabei festzubremsen und das hier Vmax 10 kmh sind. Sehe er sich die Schwellen an!" Die sind wirklich in Auflösung begriffen. "Ach so, und er weiß ja wie gekuppelt wird und wird dieses nun hier praktizieren!"

    Wenn Öse noch dazu so einen komischen dreieckigen Hut aufhätte könnte er glatt als Alter Fritz durchgehen.

    Er steckt sich eine Zigarette an und verschwindet zum Aufsichter.


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    Arne ist jetzt auf sich allein gestellt. Ansetzten, Kupplung einhängen. Zurückziehen. Irgendwas klemmt. Ach ja, die Handbremse vom Patienten. Also eigene Lok sichern, runter, drüben hoch, Bremse lösen und wieder zurück. Jeder Gang macht schlank pflegt Frau Knappschritt senior zu sagen, da ist wohl was dran.

    Öse zeigt sich noch mal kurz. "Gleis eins ist frei zum Umsetzen!"

    Arne hat schon Geschichten von verselbständigten Loks und Wagen gehört. Gewissenhaft sichert er jedesmal die Fahrzeuge wenn er absteigen muss. Das Öse ihn vom Fenster aus beobachtet sieht er nicht. Zwanzig Minuten später steht der kleine Lokzug abfahrbereit am Bahnsteig. Arne macht sich auf zum Aufsichterraum wo Öse es sich in einem zerflederten Ohrensessel gemütlich gemacht hat.

    "Eure Lordschaft, wir können!"

    Öse erhebt sich. "Schön. In Hohenossig fahren wir in das Ladegleis:" Und auf Arnes fragenden Blick fügt er hinzu: "Überraschung!"

  • Wie schon erwähnt stammt Ösendrechsler aus einem der Dörfer hier. Die Nachbarin seiner Mutter ist glückliche Besitzerin eines Telefonanschlusses. Er beschloss er sie aus der Krostitzer Aufsichterstube anzurufen.

    Den Enkeltrick gab es damals im Reichsbahnland noch nicht. Und so löste ein Anruf mit den Worten "Muddsch, rate mal wer hier spricht" keinen Alarm sondern eine erfreute Einladung zum Mittagessen aus. "Und bringe deinen Lehrling gerne mit!"


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    "Überraschung!" sagt Öse. Und "Haste Hunger?"

    Arne bejaht, etwas überrascht. Immerhin ist er seit Stunden auf den Beinen, da kann man schon eine Stärkung gebrauchen.

    In Hohenossig welches bahndienstlich als Zschölkau- Nord firmiert parken sie ihr Gespann im Ladegleis und schlendern ins Dorf.

    Zwei Stunden später. Die Kartoffelsuppe von Öse`s Muddsch war richtig gut. Schön durchgezogen, mit Bockwurst drin und Petersilie sowie gerösteten Speckwürfeln drüber. Die alte Dame ist hocherfreut als Arne nach dem zweiten Teller noch einen Nachschlag nahm. Anschließend ließ sie es sich nicht nehmen die beiden zum Bahnhof zu begleiten.


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    Greta wurde indessen als Kinderspielplatz genutzt. "Mööönsch, macht das ihr da runter kommt!" raunzt Öse das Jungvolk an.


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    Natürlich möchte Nuddsch ihren Jungen Lok fahren sehen, also muss Arne an der Weiche Bodenpersonal sein. Kurze Zeit später stehen sie wieder in Rackwitz. "Ihr habt euch ja Zeit gelassen!" Nun ja, manchmal geht es eben nicht so schnell. Öse murmelt irgendwas von "platten Radreifen" oder so. Der Aufsichter nimmt es gelassen und bietet dem Fdl die Fahrt nach Wahrensberge an. Eine halbe Stunde nach dem Umsetzen der Lok dürfen sie raus.


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    Öse lässt Arne fahren. "Das bleibt aber unter uns, verstanden?!"

    Der sinniert über die zurückliegenden Tage. Langweilig war es nicht, im Gegenteil. Das man sich die Hände schmutzig machte ist eher ein Problem zwischen ihm und seiner Holden. Und interessanter als Befehle spazieren zu tragen oder Abrechnungen zu schreiben war es allemal. Lok fahren könnte ihm gefallen, am besten auch solche coolen Kisten wie der junge Kerl in der Einfahrgruppe eine fuhr.

    Andererseits- wenn er sich die Dienstzeiten betrachtet, wie soll das gehen? Wenn seine Herzdame ebenfalls Schichten und Wochenenddienste machen würde? Wir werden sehen, sprach der Blinde... denkt sich Arne. Ab morgen würde er wieder unter der Fuchtel von Lehr und dem Hintenrum stehen.


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    Sie stellen die Loks bei der Ponyschlosserei ab. "Geh dein Bier verladen und dann treffen wir uns beim Chef" Öse verschwindet in Richtung Meisterbude und Arne versucht seine Schwalbe so gut wie möglich in Gretas Nähe zu bringen.

    Eine Viertelstunde später bekommt er seinen Tätigkeitsnachweis überreicht. "Wartung, Instandsetzung und Fahrbetrieb BR 101" liest er. Beurteilung "Sehr gut" Und "Empfehlung: Kenntniserweiterung und Erwerb der Kleinlokberechtigung". Arne ist überrascht, damit kann er sich locker bei seinem Lehrobermeister sehen lassen.


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    Beim zehnten Mal Kickstarter durchtreten springt die Schwalbe endlich an.

    Wenn er nun seine Bierkästen noch heil nach Hause bringt dann war es ein guter Tag.

  • Kathrins zwölfter Arbeitstag in Hennehof - Streckeneröffnung


    Kathrin ist müde. Der Wecker hat sie um 4:30 Uhr aus dem Bett geklingelt. Nachdem Arne weg war, wollte der blöde Kater sie nicht mehr richtig schlafen lassen. Nun müht sie sich nach unten. Dort in der Küche brennt schon Licht, ihre Eltern machen sich auch für ihren Arbeitstag bereit. Der Duft von frischem Kaffee hat sie den Weg finden lassen. Erst mal das nötige Koffein einhelfen, dann geht auch der Rest. Trotzdem ist es irgendwie ungewöhnlich ohne ihren Arne aufzustehen. Beide sind gespannt, wie alles weitergehen wird. Kathrin selbst wird bald regelmäßigen Schichtdienst haben und bei Arne wird es nicht anders werden. Heute ist er den letzten Tag für ihn drüben. Hat sich gestern noch die olle Schwalbe von seinem Kumpel geholt und ist heute früh mit dem alten Blechanhänger los. Er hat dort Bier gekauft, naja wenigstens steigt er dafür nicht mehr in irgendeinen Zug. Kathrin grinst vor sich hin – ein neuer Arbeitstag kann kommen.


    000-Honhstadt-Sonnenaufgang


    In Hennehof ist heute großes Aufatmen – das zweite Streckengleis wird wieder in Betrieb genommen. Dienst mit Simone, das Übliche und nichts Besonderes. Die Gleisbauer packen ihre Sachen, die Liegestühle sind im Bauwagen verstaut, die leeren Bierkisten zurück zum Konsum gebracht und die Zigarettenkippen aus dem Gleis gesammelt. Dirk und Holger befahren zusammen mit dem Bauleiter im SKL noch einmal das Baugleis – auch dort den Müll einsammeln. Nicht der Bauleiter, der inspiziert. Ein letzter Blick auf die ehemalige Baustelle. Ist alles weggeräumt? Ist alles fertig? Nach einer Stunde geht es zurück nach Gleis fünf, die beiden Helden der Arbeit werden diese Baustelle vermissen.


    001-Inspektion


    Oben auf B1 wird eine Probefahrt als Sperrfahrt mit einem Zug von Hohnstadt vorbereitet, verbunden mit einer Funktionsprobe des Streckenblocks auf dem Gleis Hohnstadt-Hennehof. Mit dem Andrücken einiger Relais hat das ja schon gut funktioniert. Nun folgt die Funktionsprobe der Gleiskontakte mit einem Zug, der gerade gemeldet wird. Simone stimmt zu und Kathrin nimmt ihn an. Er bekommt Einfahrt nach Gleis drei, Simone blockt und Kathrin meldet nach seiner Ankunft zurück. Die Lok setzt über Gleis eins und die neuen Weichen 46-47 wieder an den Zug nach drei um. Nach einer Bremsprobe wird dieser Zug wieder auf dem falschen Gleis nach Hohnstadt als Sperrfahrt vorausgemeldet. Den Fahrauftrag bekommt er von Kathrin schriftlich übergeben.


    002-umsetzen


    Oben wieder angekommen, spricht Kathrin wieder das Thema Prüfung an. „Mach dich nicht verrückt.“, meint Simone, „wir zusammen werden das schon rocken.“ Kathrin will noch was sagen, da meldet sich Hohnstadt schon wieder auf der Zugmeldeleitung und das Thema ist damit erledigt. Eine zweite Probefahrt wird gemeldet. Diesmal nimmt Simone die nach Gleis eins. Das gleiche Prozedere wie beim ersten Zug. Nur setzt die Lok jetzt von Gleis drei nach Gleis eins um und verschwindet nach der vorgeschriebenen Bremsprobe über das rechte Gleis nach Hohnstadt. Nach einer halben Stunde kommen Hahn, Gründraht, der Bauleiter sowie der Chef der Bahnmeisterei alle hoch auf das Stellwerk. Die Probefahrten auf dem neuen Gleis haben ergeben, dass alles in Ordnung ist. Damit meldet der Bauleiter das Gleis Hohnstadt - Hennehof frei und befahrbar. Simone hebt mit einem Lächeln die Sperrung des Gleises auf. Die Freigabe der Strecke Hohnstadt – Hennehof ist somit erfolgt und der Betrieb läuft wieder zweigleisig im Regelbetrieb. Zur Sicherheit erhält der erste Zug in Hohnstadt noch einen Befehl: Erster Zug nach Oberbauarbeiten. Das Zugmeldebuch wird ab jetzt wieder ohne Sperrvermerk und wie für eine zweigleisige Strecke vorgesehen, weitergeführt. Für zwei Züge noch mit Rückmeldung, nach den beiden kann aber auch darauf von und nach Hohnstadt verzichtet werden.


    003-Einfahrt-S


    Kurz vor Mittag klingelt die BASA. Kathrin nimmt ab. Zu ihrer Überraschung ist die Personalleiterin des Reichsbahnamtes dran und schlägt ihr einen Termin für Freitagnachmittag zu ihrer weiteren beruflichen Entwicklung vor. Außerdem hat sich eine Stefanie Knappschritt für einen Platz in der Abiturklasse des nächsten Jahres nachträglich beworben. Das ist doch ihre Schwester? Ob sie die gleich für einen anschließen Termin mitbringen könnte? Man möchte sie erst einmal kennenlernen, bevor es einen offiziellen Termin mit den Eltern gibt.


    Feierabend. Zu Hause teilt Kathrin der Schwester den Termin beim Reichsbahnamt mit. Die will sich gleich wieder Klamotten von Kathrin dafür reservieren. „Nö lass das mal! Du gehst so, wie du immer in die Schule gehst. Du hast doch gehört, was Vati gesagt hat.“, entgegnet Kathrin, „Geh mal lieber zu Wiebke. Die kann dir bestimmt ein paar Tipps geben. Die hatte doch erst einen Termin bei der Personaltante der Stadtwirtschaft. Du hast dich ja vorher noch nirgendwo beworben. Wäre bestimmt ganz nützlich.“


    004-Knappschritts-Haus


    „Auch zu Johann Zuckschwert zu gehen wäre nicht schlecht.“ Stefanies Gesichtszüge entgleisen. „Zu dem???“ „Was ist los, du hast dich doch sonst auch nicht so?!“ Stefanie mault mal wieder. „Aber gerade zu dem.“ „Ja gerade zu dem! Der weiß mehr als du denkst. Den haben die doch voriges Jahr beim Baukombinat auch noch angenommen und die nehmen doch jeden immer nur die besten Bewerber.“ Stefanie sucht immer noch nach Ausreden. „Und wenn der sich mehr für mich interessiert?“ „Ach Quatsch, du willst doch nur wissen, wie das bei der Personalabteilung so abgelaufen ist. Mehr gibt es nicht. Auch nicht ausgehen. Du bist vergeben! Der würde hinterher doch nur „Stefanie“ auf seiner Liste abhaken.“ Die „kleine“ Schwester fragt kleinlaut. „Kathrin, kommst Du mit?“ „Ja, aber ich warte unten vor der Tür. Und Mutti sagen wir von Freitag auch noch nichts. Die fällt sonst aus allen Wolken, wenn die das erfährt. Die denkt doch noch immer, du gehst nächstes Jahr zur EOS.“


    005-Stadt


    Die Schwestern machen sich zu Fuß auf den Weg, um Informationen einzusammeln. Bei Wiebke erfahren sie, was die von der Personalabteilung so alles von ihr wissen wollten. Neben Zeugnissen und persönlichen Interessen natürlich auch wie sie sich gesellschaftlich engagiert. Ist sie in der FDJ? Macht das Lernen Spaß? Was sind ihre Ziele – für sich selbst und für die Gesellschaft. Welche Vorstellungen hatte sie von der Arbeit in der Stadtwirtschaft. Alles solcher Kram, also auch nicht viel Neues.

    Dann kommen sie zu dem eigentlichen Zweck ihres Besuches. Wie hat der Johann das damals gemacht, um doch noch in die Abiturklasse der Betonbauer zu kommen? Davon weiß Wiebke nichts, nur, dass der Johann in zwei Verfahren vor Gericht erscheinen musste. Marion und Bettina wollen von ihm für ihre Kinder Unterhalt. Zeugen hatten ihn mit Marion zusammen im Besen gesehen. Auf dem Billardtisch. Gut, das sind auch interessante Infos, aber leider nicht die, die sie jetzt gerade suchen. Mehr wisse sie nicht? Nein. Dann Verabschiedung und zu den Zuckschwerts gegangen. Da läuft es noch schlechter. Johanns Mutter kommt raus an die Haustür. Ohne die Mädchen zu Wort kommen zu lassen, legt sie los: „Schert euch weg! Ihr wollt doch alle nur Geld von meinem Sohn. Ihr habt wohl noch nicht gemerkt, dass hier nichts zu holen ist. Jede Woche neue Weiber hier.“ Rumms ist die Tür zu. Das war es hier.


    006-Abfertigung


    Die beiden Schwestern gehen wieder nach Hause. Arne müsste gleich da sein. War er auch, bekommt sie von ihrer Mutter zu hören. Hat mit Vaddern das Sternburger verkostet und ist dann das olle Moped wegbringen gefahren. Der Anhänger steht noch vor der Tür, ein Kasten Bier steht oben an der Haustür, den will er nachher mit nach Hause nehmen. So hat jede Familie einen Kasten dieses edlen Gebräus erhalten.


    007-Anhaenger-vor-Tuer


    Kurz vor halb sieben kommt Arne in den Garten hinter, das Tor ist nie verschlossen und er kennt den Weg inzwischen. Mutter Knappschritt hatte schon vorgeschlagen dem neuen Familienmitglied einen Schlüssel für das Haus zu überlassen. Vater Knappschritt war aber noch dagegen – erst mal abwarten, wie sich das Ganze noch entwickelt.

    Beim gemeinsamen Abendessen zeigt Arne seinen Tätigkeitsnachweis und die Empfehlung zum Kleinlokführer. Kathrin hat eher gemischte Gefühle, sie kennt keinen, der lange auf der Kleinlok geblieben ist. Sie denkt dabei an das Gespräch mit der Karin aus Mehlsdorf, deren Mann ist ja auch immer unterwegs und oft nicht zu Hause. Will Kathrin das wirklich?

    Jedenfalls muss Arne morgen erst mal zum Lehr ins Büro, dann wissen beide mehr.

  • Hallo und guten Tag, :aq_1:

    ich verfolge die Geschichte in spannender Erwartung der jeweiligen Fortsetzung. Da es schade wäre diese und ähnliche EEP Denkwürdigkeiten einfach so nach deren Abschluss in den Tiefen des Forums verschimmeln zu lassen, schlage ich vor eine eigene Rubrik zu eröffnen (so wie die Galerie für die Bilder) in denen nach Abschluss der Geschichte dieselbe verschoben werden könnte. :bj_1:

    Liebe Grüße den Werktätigen im virtuellen Transportgewesen der Reichsbahn ohne Eisen, :bm_1:

    Kuno

    EEP 6.1
    System: Vivobook Asus Laptop X513EA_K513EA, Intel core i5
    Arbeitsspeicher: 16GB DDR4
    Grafik: Intel Iris XE Graphics 7685 96C

    Betriebssystem: Windows 10 64 Bit

  • Kathrins 13. Arbeitstag in Hennehof – örtliche Prüfung


    Ein normaler Arbeitstag. Naja fast. Arne sitzt heute bei den Rangierern in der Bude seine Zeit ab. Als er früh bei seinem Oberausbilder im Büro war, hat der nur genickt und gesagt, dass sich für ihn, also Arne, personell etwas ändern werde, was, hat er aber nicht konkret verlauten lassen. Dafür die üblichen Durchhalteparolen, nachdem die alle aufgesagt waren war es bereits neun und die Rangierabteilung zur Chemiebude schon raus. Trotzdem sollte Arne rüber, nur noch heute – morgen werde er wieder in der Aufsicht gebraucht. Allerdings war auch die Hofdame schon im Gelände unterwegs und der Aufenthaltsraum bei Arnes Ankunft leer. So hat es sich der Lehrling auf der alten Couch in der Ecke bequem gemacht und lässt die Zeit vergehen. Er denkt an seine Kathrin.


    001-Rangirerbude


    Die hat heute örtliche Prüfung, aber erst nach dem Mittag. So lange muss sie sich mit anderen Gedanken beschäftigen. Am Pult regiert heute wieder Simone, der der nachdenkliche und angestrengte Blick Kathrins nicht entgangen ist. In einer weiteren Grübelpause Zugpause meint sie: „Ach, unser Zugmeldebuch ist ja fast vollgeschrieben.“ Kathrin nickt, sagt gedankenverloren: „Ja nur noch ein paar Seiten.“ Und starrt aus dem Fenster. Die Füchsin wäre nicht die Füchsin, wenn sie das nicht hinbekommen würde. „Komm mal rüber.“, sagt sie zu Kathrin und tritt an den großen grünen Blechschrank heran. Dort zeigt sie auf einen Stapel lose Blätter – Formularvordrucke Zugmeldebuch für zweigleisige Strecken. „Nimm mal 15 Stück davon raus.“ Kathrin tut wie angewiesen und schaut Simone mit ihren großen Rehaugen an. Die grinst ein Füchsingrinsen und führt Kathrin zu ihrem Arbeitsplatz zurück. „Die müssen wir – also du – heute zusammenheften und mit einem Deckblatt versehen. So bekommen wir ein neues Buch.“ Simone holt Stopfnadel und Sternzwirn aus dem Schreibtisch und legt sie auf Stapel Blätter. „Zusammennähen?“, fragt Kathrin ungläubig. „Ja was denn sonst. Fang an, dann hast du was zu tun.“ Kathrin beginnt ihre Nähstunde, die immer wieder von Zugmeldungen und den dazugehörigen Fahrten aus beiden Richtungen unterbrochen wird. Die Blockrelais in den Gestellen nebenan im Relaisraum rattern aller fünf bis sechs Minuten in mehreren Takten dazu passend vor sich hin. Die beiden Damen oben im Stellraum tun ihr übriges dafür.


    002-Relaisraum


    Gegen zehn Uhr ist sie mit dem Heften fertig. Simone will sie aber nicht wieder in ihre Gedankenwelt entlassen und holt zum nächsten Schachzug aus. „Kathrin, hast Du eigentlich schon mal mit der BASA in die Ferne gewählt?“ „Ja, nach Hohnstadt zum Lehr.“ Simone schüttelt den Kopf und lächelt. „Das ist doch nicht in die Ferne, das ist um die Ecke. Schau mal, zum Beispiel nach Rostock.“ Simone breitet die Netzknotenkarte auf dem Pausentisch aus. „Es wird von Knoten zu Knoten gewählt. Auf der Karte siehst du die Nummern, die dich von einem Knoten zum nächsten Knoten bringen. Du suchst dir einen Weg nach Rostock und setzt die Knotennummern in der Reihenfolge von hier bis nach da zusammen, dann kommt hinten dran noch die Apparatenummer. Du kannst auf unterschiedlichen Wegen zu einem Ziel wählen.“ Kathrin nickt interessiert, na also das klappt doch prima. „Such dir mal fünf Fernziele raus und schreib mal die Nummern auf, dann bekommst du ein wenig Übung.“ Kathrin sucht sich ihre Lieblingsorte der Republik heraus (drei davon oben an der See) und puzzelt die Nummern zusammen. Nach einer halben Stunde ist sie auch damit fertig.


    003-Weitblick


    Als Simone die Nummern kontrolliert, fragt Kathrin von ganz allein: „Und wie kommt man in das Postnetz?“ „Das kommt drauf an, was dein Apparat für eine Berechtigung hat. Wir hier können direkt alle Notrufnummern mit einer 02 davor anwählen. Für andere Teilnehmer müssen wir über die Zentrale Hohnstadt gehen.“ Kathrin nickt eifrig „Ja, die kenne ich, das ist im Raum der Fahrkarte in Hohnstadt.“ Sie selbst hatte des Öfteren beobachtet, wie Rita Gespräche verbunden hat – erklärt hat sie ihr das allerdings nie, Kathrin hatte aber auch nicht danach gefragt. Der Zugverkehr rollt weiter vor sich hin – 11:15 Uhr – noch knappe zwei Stunden bis zur Prüfung.

    „Weil wir gerade dabei sind – hast du dich schonmal unten im Keller umgesehen?“ „Nein, warum sollte ich?“ Kathrin schaut wieder skeptisch. Ob die den Braten riecht? Und selbst wenn, so ist die wenigstens beschäftigt. „Ich rufe mal den Herrn Räumer an, ob er dir mal die Heizung zeigt. Denn samstags und sonntags müssen wir selbst heizen.“ Nach einem Telefonat und einer Durchfahrt des Schnellen nach Karl-Marx-Stadt kommt Otto der Bahnhofsarbeiter hoch und fragt, wer die Heizung sehen will. Simone zeigt auf Kathrin und grinst wieder. Der Bahnhofsschrat macht eine kommende Handbewegung, die Kathrin auffordert mit in die Heizungsräume des Stellwerks und des Empfangsgebäudes zu kommen. Otto hatte Kathrin beim Brigadefest zum ersten Mal richtig gesehen. Das ist also die Neue mit den Rehaugen. Na gut. Beide gehen erst nach unten und dann rüber zum Bahnhofsgebäude.


    004-rueber-Empfangsgebaeude


    Kathrin wollte schon widersprechen: „Wer macht denn solange die Zugmeldung?“, aber Simone meinte nur, dass sie das vor Kathrin schon oft genug allein gemacht hat und das immer noch ganz gut kann. Also ab. Otto erklärt ihr alle theoretischen Dinge der Heizung, wovon Kathrin nur die Hälfte versteht, zum einen wegen der Aussprache und zum anderen wegen dem Fachchinesisch. Dabei öffnet Otto nach und nach alle Klappen, zeigt ihr das Schürwerkzeug und den Aschekasten. Alles leicht staubig. Kathrin nickt immer wieder, will aber selbst nichts anfassen. Zum Schluss bringt Otto alle Klappen wieder in die Ausgangsstellung und erzählt weiter. Wenn wieder geheizt werden muss, beginnt er immer selbst die Öfen, auch im Empfangsgebäude, anzuheizen. Darum müsse sie sich nicht kümmern, er ist ja hier. Nun noch einen Blick in den Kohlenkeller und auf die Luke, von wo die Brennelemente hineingeschüttet werden. Nach gut einer Stunde sind sie wieder oben. Halb eins – Mittag. Otto hat die Kübel gleich mitgebracht und wartet, bis die beiden sich ihr Essen aufgetragen haben. Mit einem brummigen Wiedersehn nimmt der das Leergut gleich wieder mit und begibt sich in seine kleine Kammer im Empfangsgebäude.


    005-Otto-zurueck


    Kathrin hat Hunger, trotzdem bekommt sie kaum was runter. Ab zehn vor eins lässt sie die Uhr über der Fensterfront nicht mehr aus den Augen. Der Minutenzeiger rückt langsam – zu langsam – auf ein Uhr zu. Kurz vor eins poltert es von unten und Stimmen sind zu hören. Der Bahnhofschef Hahn und der Oberlehrmeister kommen die Treppe hoch. Die Tür geht auf und nach einer kurzen Begrüßungsrunde fragen die beiden Herren, ob Kathrin bereit wäre. Die nickt nur und es geht los. Die örtliche Prüfung für Kathrin beginnt.

    Mit Claudia hatte sie ja letzte Woche die Verhaltensregeln besprochen – die ist jetzt nicht da, aber mit Simone läuft es genauso gut. Nur zweigleisiger Regelbetrieb in beide Richtungen. Es werden von der Fahrdienstleiterin die Zugnummern und die Abfahrtszeiten genannt und von Kathrin diese dem Nachbarn ins Ohr geblasen und notiert. Genauso von den Nachbarn – die ja wissen was los ist – kommen die Zugnummern und die voraussichtlichen Durch- oder Abfahrtszeiten. Diese werden der Fahrdienstleiterin ordentlich mitgeteilt. Die Durchfahr- bzw. Abfahrzeiten schreibt Kathrin selbstständig ein. Hahn stellt zwischen dem normalen Betriebsgeschehen noch Fragen zum Rückmelden. Zum Gefahrenruf, zu den möglichen Ersatzverbindungen zur Meldung oder zur Meldung an den Dispatcher will er nichts wissen. Lehr hat auch keine Fragen weiter, eine Stunde reicht ihm.


    006-B1-Normalbetrieb


    Geschafft, Lehr unterschreibt das Prüfungsprotokoll. Gut so. Simone hatte beobachtet, dass Hahn bereits bei seiner Ankunft unterschrieben hat, der hatte ja eine komplette Schicht mit Kathrin schon abgeleistet. Was gab es da noch zu prüfen? Kathrins Dienst in Hennehof als Zugmelder ist sicher. Nächste Woche noch den theoretischen Kram in der Berufsschule schreiben. Termine für eine Nachprüfung sind dafür erst gar nicht angesetzt worden. Wäre ja schlimm, wenn sie die nicht schaffen würde.

    Die Ablösung kommt gerade die Treppe herauf und die Herrn vom Militäranschluss klingeln an. Karola darf sich das gleich mal zu Beginn ihrer Schicht antun. Prima Start. Der Raum leert sich, es wird übergeben, beglückwünscht, verabschiedet und Karola übt russisch.

  • Einberufungstag- Teil 1a – Arne und Kathrin getrennt (auf der Arbeit)

    Kathrins 14. Tag in Hennehof


    Heute werden die Transportleistungen der Deutschen Reichsbahn im Personenverkehr auf besondere Art und Weise in Hohnstadt gefordert. Dafür wurde Arne extra wieder in die Aufsicht zurückbeordert – frische und saubere Uniform inclusive.


    Aber auch in Hennehof geht dieses Ereignis nicht unbemerkt an allen Beteiligten vorüber. Kathrin kommt heute früh um dreiviertel sechs die Treppe des B1 hinauf. Sie öffnet die Tür zum Stellwerksraum, leise Musik ist zu hören und Cordula und Nico umtanzen engumschlugen das Hebelwerk. Der Song „A white shade of pale“ von Procol Harum wird zum wiederholten Male durch das tiefe Brummen von einem Schiffshorn aus der Ferne unterbrochen.


    001-Personenzug-Einfahrt


    „Guten Morgen, da steht einer vor der Tür“, sagt Kathrin und schaut erst mal auf das Pult. Wo steht da was? Der Arbeiterzug aus Richtung Mehlsdorf erbittet Einlass. Sie eilt zum Zugmeldetisch, auch hier herrscht Gesprächsbedarf. Sie nimmt den Personenzug an und meldet ihn gleich danach nach Hohnstadt voraus. Zu Cordula: „Der kann kommen.“ Die macht Einfahrt nach eins und stellt den Fahrweg weiter nach Hohnstadt ein. Dann schreibt sie etwas auf die Verständigungstafel. Heute zügiger Fahrgastwechsel. Plus zwölf hat der Schichtarbeiterzug. Einige der Werktätigen werden heute wohl zu spät kommen.


    Die Ablösung hat heute auch plus zehn. Claudias Kinder sind krank und Simone ist für ihre Schwester eingesprungen. Simone geht zum Pult und macht nach einem Blick auf die nickende Kathrin Ausfahrt. Als der Zug kurze Zeit später am Stellwerk vorbeizieht, hält Cordula die Tafel zum Fenster raus. „Abschied…“ steht da drauf und der Lokführer nickt ihr verständnisvoll zu, schließlich war auch er mal bei Erichs Garden.


    Übergabe und Verabschiedung fallen dementsprechend kurz aus. Dann gehen Cordula und Mann zügig rüber in den Sozialraum des Empfangsgebäudes, ihrem gemeinsamen Domizil für die vorerst letzten gemeinsamen Stunden.

    Oben in der Kommandozentrale nichts Besonders, nur normaler Zugbetrieb. Kurz vor zehn beobachten die beiden Diensthabenden in Hennehof, wie Nico und Cordula in den Personenzug nach Hohnstadt einsteigen.


    002-Einberufung


    In Hohnstadt ist es weniger ruhig. Gedränge und Gewusel auf dem Bahnhofsvorplatz. Heute ist Einberufung. Die jungen Männer stehen in verschiedenen Gruppen unten auf dem Bahnhofsvorplatz und erfahren wo hin es hingeht. Dann sollen die einzelnen Gruppen sich in Dreierreihen aufstellen. Es dauert und immer wieder kommt es zu Gelächter und die Ordnung der Truppe gerät durcheinander. Unterfeldwebel Roland Drescher reicht es und er brüllt mit lauter Stimme: „Ruhe im Glied!“ Prompt kommt die Antwort aus der Frauenecke: „Dafür haben wir schon gesorgt.“ Wieder Gelächter und Gejohle. Das wird euch schon noch vergehen, denkt der angehende Feldwebel und befiehlt den Abmarsch nach oben zum Bahnsteig.


    003-Arne-Bahnsteig


    Strangowitz hat Arne bereits oben auf dem Bahnsteig eingewiesen. „Sei froh, dass du da noch nicht dabei bist, sonst würde deine Hübsche da drüben stehen und mit den anderen Tussies heulen.“ Er zeigt auf den Pulk Schul- oder Berufsschulmädchen – alle verheult oder so aufgedreht, dass sie ständig und ohne Pause kichern. „Die werden auch immer jünger, man, man, man, zu meiner Zeit hätts das nicht gegeben.“ Der Aufsichter schwärmt wieder mal von den guten alten Zeiten, in denen immer alles besser war. Weiter zu Arne: „Wenn die nachher hochkommen, lass die Aluminiumgeneräle das alles machen. Misch dich nicht ein. Wir sorgen nur dafür, dass der Zug sicher rein- und wieder rauskommt.“ Aus dem Bahnsteigtunnel dröhnen mahnende Worte der Eile nach oben und schon strömen die neuen Friedensbewahrer auf den Bahnsteig.


    Eine 118 schiebt sich langsam am Bahnsteig entlang, hintendran zwei DBv-Einheiten, die schon gut besetzt sind. Nicht der erste Halt heute. Einen Fahrplan gibt es für den Zug, aber der ist nur Makulatur. Der Befehl zum Einsteigen hallt über den Bahnsteig, aber die Hälfte der Truppe eilt zurück zu ihren Frauen oder Freundinnen. Der Abschied fällt schwer. Von vorn geht das Gebrülle und Sortieren los. Die ersten Weiber werden unter Buh-Rufen aus dem Zug geholt. Auf dem Bahnsteig nimmt die Anzahl der männlichen Anwesenden rapide ab, übrig bleiben unzählige Frauen und Fräuleins, die letzteren überwiegen. Die Berufsschulen, die EOS und auch die 9. Und 10. der Polytechnischen müssen ja fast leer sein. Es sieht so aus, als wären alle Mädels der Stadt hier.


    004- Bahnsteig-Zug


    Nur mühsam gelingt es den Zug abfahrbereit zu machen. Immer wieder werden die Türen geöffnet und entweder werden weitere Frauen nach draußen geleitet oder andere springen wieder in den Zug, hängen sich an die Fenster oder einem Jüngling ist der Trennungsschmerz zu groß und er muss nochmals nach draußen und seiner Liebsten Lebewohl ins Ohr flüstern. Nach weiteren zwanzig Minuten und drei Nachmeldungen fährt der Zug unter einer aus dem Zug vielstimmig vorgetragenen Melodie aus. „Abschied von Sex und fetten Weibern, Abschied von Hasch und LSD, jeder Abschied, der ist traurig doch dieser der tut weh, …“


    Als sich der Bahnsteig fast geleert hat fällt ein Mädel in einem gelben Pulli und einer bluegrass Stretch-Jeans Arne um den Hals. Seine frische Uniformbluse, von Kathrin in Muttis Waschmaschine mit gewaschen, wird mit Tränen und Wimperntusche versaut. Schade. Wer ist das?

    Anja die verflossene? Cordula, seine erste Tanzpartnerin vom Freitag? Unter der vielen Schmiere ist das Gesicht fast gar nicht zu erkennen. Wer könnte das sein?

  • Einberufungstag- Teil 1b – Doppeltes Lottchen


    005-Arne-Stefanie


    Auf Arnes Hemd breitet sich Rotz und Wimperntusche weiter aus, der Fleck wird ihn den Rest des Tages wohl begleiten. Die Verursacherin desselben schluchzt nur „Arne…“, hebt ihren Kopf und schaut ihn an.

    Das ist ja Stefanie! Jetzt dämmert es ihm. Den ganzen Sonntag war er ja noch bei Kathrin zu Hause, da war die noch aufgedrehter als sonst. Deswegen also, ihre Bekanntschaft aus dem Besen vom Samstag. Klar, deswegen wollte sie auch den knappen Bikini von Kathrin haben (den sie unter ausdauerndem Gemaule auch bekommen hatte), um damit den ganzen Sonntag im Freibad abzuhängen. Seit Montag war sie, ganz entgegen ihren Gewohnheiten, nachmittags nicht zu Hause und meist im Koga und gestern Abend wollte sie nochmal ganz dringend weg – bei einer Freundin eine Partie sexundsechsig spielen. Das Spiel verlief wohl heftiger als geplant. Arne kam gegen halb neun gerade aus dem Bad, da stürmte die „kleine“ Schwester verheult zur Haustür rein. Mutti Knappschritt und eigentlich jede gute Mutter hatte da so ein Gefühl und fragte sie eindringlich: „Du hast doch hoffentlich keine Dummheiten gemacht?!“ Keine Antwort ist auch eine Antwort. Kurz danach verschwanden beide – Mutter und Tochter – im Badezimmer, Stefanie sollte sich (unter der Anleitung von Mutter Knappschritt) in der Badewanne gründlich waschen, besonders an einer bestimmten Körperregion. Anschließend ging sie auf ihr Zimmer, wo das Geheule erst sehr spät langsam verstummte.


    006-Bahnsteig-Maedels


    Nun steht sie hier. Ihre Schultasche liegt neben den der anderen Mädels vor der Bahnsteigbank. Schule ist jetzt egal, da geht es heute nicht mehr hin. Erst mal eine Rauchen und dann? Ordentlich einen Trinken? Der Kiosk gegenüber hat zwar offen, verkauft aber im Moment keinen Alkohol. Erst wieder, wenn die beiden Einberufungszüge durch sind. Vier stramme Genossen der Trapo stehen Schmiere, also keine Chance. Und den Mädels geht es im Moment soooo schlecht. Wenigstens Stefanie hat erst einmal eine vertraute Stütze gefunden. Andere halten sich gegenseitig. Strangowitz schaut von weitem zu und schüttelt den Kopf. Arne sollte ja aufpassen, dass keine Person unter den ausfahrenden Zug kommt. Macht er ja gerade. Trotzdem muss er die Mädels jetzt langsam davon überzeugen zu gehen, denn die ersten Paare für den Gegenzug in einer viertel Stunde kommen schon auf den Bahnsteig. Dann beginnt das Schauspiel von Neuem.

  • Einberufungstag (Kathrins 14. Tag in Hennehof) – Teil 2


    Oben auf B2 in Hohnstadt. Ronald hat den Einberufungszug 89333 nach Hennehof vorausgemeldet, worauf er auch gleich die Erlaubnis erhielt. Benno beleuchtet das Ausfahrsignal mit den entsprechenden Farben für den eingleisigen Abschnitt, aber der Zug rührt sich nicht. Nach fünf Minuten ruft er die Aufsicht. Keiner geht ran. Lautsprecherdurchsage: „89333 Abfahren!“ Kurz darauf meldet sich die Aufsicht und schildert das Theater auf dem Bahnsteig. Benno winkt Ronald zu, er soll nachmelden, erst mal acht Minuten. In Hennehof fragt Kathrin nach, was denn los sei. „Na Schnuckie, die Miezen der Wehrpflichtigen können sich von ihren Männern nicht trennen. Die reißen immer wieder die Türen auf oder hängen sich an die Fenster und die Aufsichter bekommen die nicht gebändigt.“ Was er extra betont, denn er weiß, wer da unten Dienst hat und wie der mit Kathrin in Verbindung steht – sehr zu seinem Leidwesen.


    007-Zug-Hohnstadt


    In Hennehof geht man Frau die Sache ruhiger an. Kathrin teilt Simone mit, dass der Einberufungszug 89333 von Hohnstadt jetzt mit plus 24 nachgemeldet wurde. Bereits das dritte Mal und mit jeder Meldung waren es ein paar Minuten mehr. Ein zweiter Einberufungszug 89332 aus Richtung Mehlsdorf wird gemeldet, zwölf Minuten hinter Plan. Simone nimmt ihn nach Gleis 1. „Lass dich nicht am Fenster sehen“, meint sie zu Kathrin. Der Gegenzug aus Hohnstadt blockt endlich vor. Eine Kreuzung der beiden brisanten Züge war in Hennehof gar nicht vorgesehen, nun lässt es sich nicht vermeiden. Beide Züge sind deutlich später. Den von Hohnstadt nehmen wir lieber durch Gleis 3, nicht das da noch was Blödes passiert, meint Simone und zu Kathrin: „Melde den 33er weiter.“ Gerade als Kathrin die Meldung abgesetzt hat, rollt der mit einem Achtungspfiff durch drei. Simone huscht kurz ans Fenster – alle Türen zu, Schluss brennt, gut. Fahrstraße R3 löst auf, Kathrin dreht den Fahrstraßenhebel in Ausgangsstellung und blockt zurück. Den wären sie los. „Meld den zweiunddreißiger.“, gibt Simone die Anweisung an Kathrin, die sie auch sofort befolgt, worauf kurz danach die Erlaubnis aus Hohnstadt auf dem Pult erscheint. Die Weichen 43 und 44 in Minus und die 48 und 49 in Plus, der Fahrstraßenhebel K gedreht und die SF-Taste und die Streckentaste Hohnstadt gedrückt. Somit erstrahlt die Weihnachtsbaumbeleuchtung an Signal K. Aber der Zug fährt nicht ab.


    008-Hennehof-Diskussion


    Auf dem Bahnsteig stehen der Zugführer und einige Militärs. Es wird aufgeregt diskutiert. Kurz darauf werden vier Tussen unter heftigen Pfiffen aus dem Zug herausgeführt. Die Friedenswächter kennen hier kein Erbarmen. Aus dem Zug erklingt wieder die bekannte Melodie und die Wagenschlange klappert langsam über 43 und 44 aus dem Bahnhofsbereich. Die vier Mädels bleiben auf dem Bahnsteig zurück. Somit gibt es vier gestrandete Reisende in Hennehof. Simone schickt Kathrin runter, die Damen zu versorgen und ihr Weiterkommen zu organisieren. Die Mädels wollen erst mal zur Toilette. Kathrin schließt den Sozialraum auf und führt sie zu den Örtlichkeiten. Als sie wieder rauskommen, wollen die wissen, wo sie überhaupt sind und wie sie weiterkommen. Sie selbst kommen aus Hohenwulsch, Bismark, Siedenlangenbeck und Klötze. Eigentlich wollten sie ihre Männer doch nur bis zur Kaserne bringen und nun stehen sie hier. Frust und Enttäuschung macht sich breit. Kathrin fragt, wo sie jetzt weiter hin wollen. Bis Stendal, von da finden sie allein weiter. Gut, Kursbuch von oben geholt und die entsprechende Verbindung rausgesucht. Den Zettel mit den Anschlüssen überreicht Kathrin den vieren. Mit dem Personenzug um zwölf von Bahnsteig eins nach Hohnstadt. Dort Umsteigen und mit dem Eilzug nach Leipzig in die Gegenrichtung. Fahrkarten gibt es hier nicht mehr, die müssen sie in Hohnstadt kaufen, planmäßig haben sie dafür etwa 20 Minuten Zeit.


    009-Hennehof-Bahnsteig


    In Hohnstadt erwartet man derweil den zweiten Einberufungszug. Arne steht an einem Ende des Bahnsteiges, Strangowitz am anderen Ende und beobachten das Gewusel dazwischen.

    Unten wieder dasselbe Spiel. Anrücken der Streitkräfte mit vier LKW, verteilen der Schilder mit den Zahlengruppen, an denen sich die Einberufenen aufstellen sollen. Anhand der Postfachnummern der Einheiten, die auf den Schildern aufgeschrieben sind, können die neuen Rekruten erkennen, wo sie ab heute hingehören. So schnell wie sich der Bahnsteig oben geleert hatte, füllt er sich nun wieder. Abschied ist schmerzlich und Scheiden tut weh.


    010-POS


    Stefanie ist inzwischen doch wieder in der POS angekommen. Es ist gerade Pause und sie legt ihr Hausaufgabenheft auf den Lehrerstisch, schlägt es auf und schreibt mit rot hinein: Stefanie hat heute von 7:30 Uhr bis 11:30 Uhr nicht am Unterricht teilgenommen. So lässt sie es liegen und begibt sich wieder auf ihren Platz in der letzten Reihe. Ganz entgegen ihrer Gewohnheiten ist sie für den Rest des Tages sehr still und in sich gekehrt. Heute unterbrechen nicht die ermahnenden Rufe an Stefanie den Unterricht, sondern nur gelegentlich das leise Schluchzen von ihr. Weitere Schülerinnen folgen Stefanies Beispiel mit dem Hausaufgabenheft und das nicht nur hier in der 10b, sondern auch nebenan in der 9a. Die Klassenleiter unterschreiben die Einträge wortlos, ebenso Stefanies Vater am Abend ihren Eintrag.


    011-leerer-Bahnsteig


    Um eins sind alle vom Bahnsteig verschwunden, die Damen nach Stendal auch. Arne geht in die Aufsichtsbude und genießt zusammen mit Strangowitz sein Mittagessen. Der irre Tag ist fast vorbei und morgen hat er einen Tag Urlaub.


    012-B1-Hennehof


    Zur Ablösung der Schicht in Hennehof kommt Claudia. Die Kinder waren ab Mittag schon bei Oma – etwas Erholung von dem Gewusel. Ab 17 Uhr sind sie bei Papa. Ohrenschmerzen haben alle beide und die Kinder auch.

  • Kathrins 15. Arbeitstag in Hennehof – Zugtetris


    001-Morgen


    Freitag und trotzdem volles Programm. Heute Nachmittag stehen zwei wichtige Termine an. Nicht nur für sie. Kein Trödeln oder Quatschen nach Feierabend. Kathrin ist deswegen auch heute wieder mit ihrer Schwalbe nach Hennehof gefahren. Sie muss pünktlich nach Hause und da will sie sich nicht auf den 14er Zug verlassen müssen. Der Tag verläuft entspannt – normaler Betrieb, zweigleisig. So ist es zu ertragen. Einfach nur abmelden, wenn einer vorblockt, spätestens wenn er vorbeifährt. Da kann man mit den Nachbarn auch mal zwei Worte mehr wechseln.


    Gegen elf wird ein Sonderzug zum Militärgelände angekündigt. Die heutige Fuhre gleich nach Gleis eins (das geht ja jetzt dank der beiden neuen Weichen 46/47 ganz problemlos von Hohnstadt aus). Vor bis zum Signal C, dort die Reichsbahnlok abkuppeln und rüber nach fünf, die will im Moment keiner haben. Der Lokführer kann sich nun die Beine vertreten und Himbeeren pflücken, die gibt es reichlich da drüben am Feldrand.


    002-Militaerzug1


    Die Lok des Anschlusses kommt rausgerückt und will die Wagenschlange abholen. Claudia öffnet die Gleissperre, stellt die Weichen elf und zwölf wieder rum, Rangierfahrstraße eingestellt und Ra12 beleuchtet. Kaum ist das geschehen, traut sich die scheue Lok aus dem heimischen Wald und schiebt sich an die Flachwagen heran. Ob es eine Bremsprobe gibt? Das weiß keiner und will auch keiner wissen. Jedenfalls will man nach zwei Minuten schon wieder los und lässt etwas Druckluft durch das Horn strömen. Claudia macht Licht an C und der Zug zieht aus in den sagenumwogenen Militärwald.


    003-in-den-Wald


    Plötzlich hält die Fuhre wieder an und der letzte Wagen bleibt auf Weiche zwölf stehen. Zehn Minuten vergehen und nichts passiert. Es dauert und dauert. Claudia klingelt den Fernsprecher vor dem Rangiersignal an – keiner geht ran. Irgendwas muss da im Anschluss sein. Bloß was? Wie immer wollen die sich nicht helfen lassen. Vogel-Strauß-Politik eben.

    Der Mittagszug von Mehlsdorf kündigt sich an. Weiche zwölf ist immer noch besetzt – also muss der nach drei. Warum nicht nach zwei, fragt Kathrin. Damit die Reisenden den Bahnsteig schon gleich verlassen können und nicht erst warten müssen, bis der Zug weg ist. Einige haben es auch schon geschafft auf der vom Bahnsteig abgewandten Seite auszusteigen und über die Gleise zu latschen – Leute gibt es…


    004-Reisende-nach-drueben


    Kathrin darf Aufsicht spielen und muss runter auf die Fahrgäste aufpassen. Als Kathrin unten angekommen ist, macht Claudia eine Durchsage, dass der Personenzug heute von Gleis drei fährt. Die Leute begeben sich über den Übergang und bevor nicht alle wieder vom Mittelbahnsteig verschwunden sind, gibt es auch keine Zugfahrt durch zwei. Als der Dienstposten der Aufsicht hier noch besetzt war, war sowas normaler Alltag.

    Der Personenzug ist weg und schon kommt die nächste Meldung von Mehlsdorf. Noch ein Militärzug. Claudia flucht, sowas kann sie nicht ab, hätten die doch gleich sagen können. Immer diese Heimlichtuerei. Während sie noch überlegt, wo sie den jetzt noch abstellen soll, klingelt es von Mehlsdorf nochmal. Der Zug hat nur drei Wagen und soll mit dem anderen zusammen in den Anschluss. Aha – deswegen steht der da wohl noch rum. Hinter dem zweiten Militärzug hängt außerdem der 64533, der mit den Röhren, den kennt Kathrin ja noch. Hätten die auch alles eher sagen können. Keine Sekunde zu spät, denn gerade so lässt sich die Fahrstraße nach Gleis zwei für den Militärzug noch ohne Nummer zurücknehmen. Das Einfahrsignal A war noch nicht auf Fahrtstellung. Claudia ist bedient.


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    Also den Militärzug jetzt nach vier und den 64533 dann durch zwei. Der Mittagszug aus Hohnstadt muss so lange vor der Einfahrt warten, der Sicherheit wegen, denn eins ist ja immer noch blockiert. Kathrin darf gleich unten bleiben und Essen gibt’s später.


    006-volle-Huette


    Irgendwann löst sich das Knäuel unten wieder auf und der normale Betriebsablauf kehrt zurück. Die beiden Reichsbahnloks sind weg, Gleis eins wieder frei und bis zur Ablösung bleibt alles ruhig. Als die kommt, macht Kathrin zügig Feierabend. Schnell nach Hause, die Termine im Reichsbahnamt warten.


    007-Kathrin-nach-Hause