Kurz in eigenen Sache.
Die Ferien und der Urlaub sind vorbei und die Aufgabenvielfalt und Anforderungen in Ausbildung und Beruf ist wieder angewachsen. Daher wird es hier mit den Geschichten ab jetzt etwas langsamer voran gehen. Am besten, wer es noch nicht getan, den Faden abonnieren, dann gehen keine neuen Teile verloren. Und jetzt viel Spaß bei:
Grillabend bei den Stenzers – Teil 1
Arne nimmt seine Kathrin in den Arm. So laufen sie den kurzen Weg bis rüber zum letzten der Wohnblöcke in der Ackerstraße. Im Haus ganz hinten wohnen fast nur Eisenbahner und fast alle arbeiten irgendwo auf dem Bahnhof Hohnstadt. Arnes Vater ist Lademeister in der Güterabfertigung, seine Mutter Köchin hinten in der Kantine an der Hauptpost. Arnes Vater ist etwas skeptisch, was die Beziehung zu Kathrin angeht. Ihre Eltern sind Führungskader in der Devisen-Chemiebude, so wie er die immer nennt, und den Bonzen in solchen Positionen ist nicht zu trauen. Arnes Mutter versucht ihn immer zu beruhigen und ist der Meinung, dass der Junge seinen eigenen Weg finden müsse. Arne hofft nur, dass heute alles gut geht und sie ohne Streitereien den Abend verbringen können.
Am letzten Aufgang angekommen sehen sich beide an. „Das schaffen wir.“, sagen sie fast gleichzeitig und lachen. Kathrin schaut Arne an. „Weißt du das wir heute genau sechs Monate zusammen sind?“, fragt sie grinsend. Arne nickt mit dem Kopf – auch wenn er das gar nicht so genau mitzählt. „Lass uns hochgehen.“, sagt er und öffnet die hölzerne Eingangstür. Knarrend geht sie auf und fällt polternd wieder zu, der Dämpfer ist schon seit einem halben Jahr kaputt.
Beide stehen im Treppenflur. Es riecht nach Bohnerwachs, heute war Reinigungstag. Jeden Samstag wechseln sich die Bewohner der einzelnen Stockwerke mit dem Saubermachen ab, der Plan dafür hängt auf jeder Etage. Links befinden sich in die Wand eingelassenen hölzernen Briefkästen, die meisten haben kein Schloss, nur einen einfachen Riegel, der die Tür zuhält. Man vertraut sich hier eben. Nur wenig Licht fällt durch die gemaserte Milchglasscheibe der Eingangstür ein und Arne drückt auf einen der kleinen Taster für das Treppenlicht. Ein lautes Klack ertönt aus einem großen Holzkasten neben der Tür und die schwache Glühlampenbeleuchtung des Treppenhauses spendet ein warmes, aber schummriges Licht. Die Stufen sind teilweise ausgelatscht und das hölzerne braun gestrichene Treppengeländer ist zerkratzt. Auf jeder Etage links und rechts zwei Wohnungstüren. Schuhe stehen vor der Tür, vor einigen Wohnungen sind auch Regale für die selbigen zu finden. Sie müssen hoch in die dritte Etage. In der zweiten Etage geht die linke Tür auf und eine ältere Dame lugt heraus. „Tag Frau Koviak.“, sagt Arne freundlich. Die Frau nickt ihm zu, beäugt Kathrin und macht die Tür wieder zu. „Die Koviak ist ein bisschen meschugge, aber sonst ganz freundlich.“ Kathrin nickt nur. Solche Wohnsituationen kennt sie nicht, sie ist schließlich im Haus ihrer Eltern groß geworden. Gleich sind sie oben. Arne holt seinen Alubartschlüssel raus und schließt die Wohnungstür auf. „Meine Eltern sind schon im Garten. Ich soll bloß noch das Fleisch und das Bier holen, dann können wir gleich wieder los. Der Kühlschrank im Garten ist kaputt und mein Vater kann warmes Bier nicht leiden.“
Beim Blick in den Korb, der auf dem Küchentisch steht, findet Arne einen Zettel – Es gab keine Koteletts, bring bitte welche mit. Arne fragt: „Woher denn jetzt noch?“ Die Kaufhalle hat um zwei zugemacht, die HO auch, bleibt nur der Fleischer, aber ob der noch aufhat? Das geht ja gut los. Arne ist etwas angesäuert.
Jetzt sind Kathrins Beziehungen gefragt. Sie stellt sich vor Arne, fasst ihn mit beiden Armen um den Hals und schaut ihm in die Augen. „Das wird schon. Vertraust du mir?“ Natürlich tut Arne das. „Dann los, lass uns zur Fleischerei Metting fahren. Ich kenn die Tochter der Chefs.“ Korb genschnappt, Treppe runter, Tür knallen lassen – ja, der Dämpfer... (Labusch aus dem Erdgeschoss wird sich wieder bei der Mieterversammlung aufregen), rüber zur Garage, auf den Bock geschwungen und mit Vollgas die Ackerstraße runter in Richtung Fleischerei.
Der Laden ist natürlich auch zu. Kathrin lugt durch die Schaufensterscheibe, alles dunkel, aber hinten in der Metzgerstube scheint noch Licht zu brennen. Kathrin zeigt zur Toreinfahrt. „Arne, schau mal ob offen ist. Hinten scheint noch jemand zu sein.“ Arne drückt das schwere Holztor auf, Kathrin stürmt an ihm vorbei auf den Hof – die wird schon wissen, was sie tut, denkt er sich und schlendert hinterher. Als er näher kommt, kann er Stimmen hören. Kathrin spricht mit ihrer ehemaligen Mitschülerin Viviane aus der POS „Weltfrieden“, mit der sie bis zur Zehnten in eine Klasse gegangen ist. Sie ist die Tochter des Fleischermeisters und jetzt hier Lehrling. Weiter ist sonst keiner da. Die hatte heute das Pech Letzte sein zu müssen. Gerade ist sie fertig mit wischen und bringt das dreckige Wasser raus.
Eigentlich wollte sie schon längst im Roten August sein. Da gibt es immer schöne Musik und etwas zu erleben, auch am Samstagnachmittag, immer hinten im Vereinszimmer. Im Besen sind ja jetzt die Schiebchen. Da gehen lieber die Männer ohne Anhang hin, sich ein Hühnchen von der Stange holen. Die jungen Damen sitzen zu Beginn des Nachmittags immer auf dem Treppengeländer vor dem Eingang und gackern wie die Hühner.
Nach einer ausführlichen Begrüßung, was machst du, wie geht es, was mache ich, was machen die anderen, kommt Kathrin zum Eigentlichen. „Du, Viviane ich brauch noch etwas für heut Abend für den Grill.“ Kathrin hat bei Vivianne noch was gut, ihr hat sie immer das gute Rosenduftwasser besorgt, was sonst nur im Exquisit oder in Weihnachtspaketen von drüben zu finden ist. „Komm, gucken wir mal.“ Sie gehen rein und schauen sich in dem kleinen Kühlraum um. Rumpsteak, Kotelett ausgelöst, Thüringer, Frischgestopfte – alles, was einen Grillabend schöner macht. Kathrin nimmt von jedem vier Stück und reicht einen Fünfziger rüber. So geht der erste Teil der Prämie von gestern Abend dahin.
„Danke.“, sagt Kathrin und Viviane: „Wo gehst Du heute Abend hin?“ „Ich, zum Antrittsbesuch zu den Schwiegereltern.“ „Oh, na dann viiiiel Glück.“, sagt sie grinsend. „Und du?“, fragt Kathrin. „Ich will heute noch in den August, mein Dieter wartet da auf mich.“ Kathrin schaut erstaunt. „Der Dieter? Dieter Schimmerlos?“ Ja, der. „Na dann wünsch ich Dir auch viel Glück.“, sagt Kathrin und versucht ernst zu bleiben. Die beiden verabschieden sich und Kathrin geht wieder nach draußen.
Arne ist erstaunt, dass Kathrin mit einem so schweren Einkaufsbeutel heraus kommt. Hinter ihr hört man die Verriegelung ins Schloss fallen. Jetzt nochmal zu Stenzers in die Wohnung, einen Teil des Erworbenen in den Kühlschrank packen (so viel kann nicht mal Arne verputzen). Kathrin ist inzwischen neugierig geworden und will Arnes Zimmer sehen. Wo ist das? Vorn die Tür links. Also rein.
Überhaupt nicht romantisch. Bett, Schreibtisch, Kleiderschrank – an der Wand ein paar Poster aus der BRAVO. Er ist ja kaum noch hier. Trotzdem sieht es gepflegt aus. Irgendwie hat Kathrin den Eindruck, dass sie hier erwartet wird. Alles geordnet, sauber, Staub gewischt. Und in der Ecke hinter der Tür ein Hocker mit einem Badetuch, einem neuen Schlafanzug für junge Mädchen und davor ein Blumenstrauß auf dem Boden. Mutter Stenzer war fleißig.
Arne tippt Kathrin an. „Komm, wir müssen los, meine Eltern warten schon.“ Am liebsten würde Kathrin mit Arne hier bleiben, einfach mal die Ruhe genießen. Na vielleicht später, denkt sie und beide machen sich auf den Weg in die Kleingartenanlage.